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Ein Mann mit schwierigem Hintergrund: Die Briten lassen David Cameron in Europa wenig Spielraum.

© dpa

Großbritannien und Europa: Treibt die Briten nicht in den Atlantik

Der Streit um ihren Haushalt könnte die EU noch viel mehr kosten als Geld. Nämlich die Briten.

Was immer bei den EU-Haushaltsberatungen herauskommt – die Unzufriedenheit der Briten mit der EU hat die Erfolgslatte für Premier David Cameron zu hoch gelegt. Das Ergebnis wird die Briten unweigerlich darin bestärken, dass sie in der EU nicht verstanden, nicht respektiert und erst recht nicht geliebt werden. Cameron, sagt man, hätte mit vernünftigeren Forderungen kommen sollen. Aber kein Punkt fordert die britische EU-Kritik so heraus wie die Brüsseler Ausgabenbürokratie. Oppositionschef Ed Miliband, der gerade das hohe Lied des britischen Europa-Engagements sang, stimmte mit seiner Partei gar für eine Kürzung des EU-Haushaltsrahmens und band so dem Premier zusätzlich die Hände. Was wäre vernünftig gewesen?

Von anderen Mitstreitern wurde Cameron ja längst im Stich gelassen. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy hatten vor zwei Jahren mit Cameron gelobt, den EU-Haushalt einzufrieren und Brüssel Sparsamkeit zu lehren. Nun sucht Merkel den Kompromiss, Sarkozys Nachfolger attackiert den „Britenrabatt“ und verteidigt die Ausgaben für die Landwirtschaft mit Zähnen und Klauen.

Briten kennen das. Als Margaret Thatcher 1984 den Beitragsrabatt mit Hinweis auf die verzerrenden Agrarausgaben erkämpfte, wurden Reformen versprochen. 2005 legte Tony Blair einen Teil des Rabatts zugunsten der neuen EU-Staaten auf den Tisch, wieder gegen Reformversprechen. Doch die Agrarausgaben betragen immer noch fast 40 Prozent des EU-Haushalts.

Während Reformen dem „vernünftigen“ Konsens geopfert wurden, haben in Großbritannien 400 000 Staatsdiener ihren Job verloren, Renten und Pensionen wurden gekürzt, Polizei-, Schul- und Sozialausgaben zusammengestrichen. Die neun Milliarden Pfund, die der zweitgrößte Nettozahler nach Berechnungen des Schatzamts an die EU überweist, entsprechen genau der neuen Tranche von Einsparungen im Sozialhaushalt, die als Nächstes kommt.

In ihrer euro-skeptischen Presse lesen die Briten, dass Brüssel bisher gerade vier Stellen strich und die neuen Büropaläste für die Kommission fast eine halbe Milliarde Euro kosten. Dass seit 18 Jahren kein EU-Haushalt von den Wirtschaftsprüfern abgesegnet wurde, wissen sie von der einstigen EU- Chefbuchhalterin Marta Andreasen, die 2004 gefeuert wurde, weil sie Betrug und Schlendrian anprangerte. Nun ist sie eine führende Stimme in der britischen Anti-Europapartei Ukip.

Neu ist das alles nicht, vielleicht auch nicht vernünftig. Nur treibt es die Briten unweigerlich weiter und weiter in den Atlantik. 56 Prozent würden in einem Referendum für einen Austritt aus der EU stimmen. Sollen sie, sagt man. Möglich, dass man sie nicht mehr halten kann. Aber eine EU ohne die Briten wäre eine in der Welt reduzierte, geschwächte und weniger respektierte Organisation. Womöglich würde der Haushalt schneller verhandelt. Aber wären die Ergebnisse vernünftiger?

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