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Mundtot. Ein Pro-Mansur-Demonstrant am Montag vor dem Berliner Landgericht

© Paul Zinken/dpa

Umstrittene Festnahme von Ahmed Mansur: Haft auf Befehl kann es nicht geben

Der ägyptische Journalist Ahmed Mansur hätte nicht festgenommen werden dürfen. Der Fall zeigt, was passiert, wenn Strafverfolgung automatisiert wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Jeder Tag, den der arabische Journalist Ahmed Mansur in deutscher Haft saß, war ein guter Tag für Ägyptens Despoten Abdel Fattah al Sisi. Er sieht sich als verlässlichen Partner Berlins im Kampf gegen islamistische Umstürzler. Die kritischen Worte Angela Merkels zur Willkür- und Henkerjustiz in seiner Heimat hat er geflissentlich überhört, zumal die Regierung ihm bei seinem Besuch Anfang Juni das sichere Gefühl gab, es gebe Wichtigeres im Dialog beider Länder.

Mansurs kurzzeitige Festnahme erschien da als amtliche Beglaubigung solcher beschönigenden Sichtweisen. Ein Eindruck, den Berlin besser vermieden hätte, vielleicht aber nicht vermeiden konnte. Denn auch wenn Regime und ihre Sanktionssysteme abgelehnt werden, besteht doch ein Anspruch darauf, dass ihre Rechtshilfe-Anliegen unvoreingenommen geprüft werden. Weil der Schritt, sich instrumentalisieren zu lassen, schnell vollzogen ist, hätten die deutschen Stellen einschließlich der Justiz allerdings genauer hinschauen können, ob sie al Sisi seinen Triumph gönnen wollen, Mansur einsitzen zu lassen. Fragen sind hier angebracht.

Es begann mit dem ominösen Interpol-„Haftbefehl“, von dem Mansurs Anwalt zutreffend behauptete, es gebe ihn nicht. Was es gibt, sind nationale Festnahmeersuchen, gekoppelt an einen Auslieferungsantrag, die Interpol als „red notice“, rote Ausschreibung, an die Mitgliedstaaten schickt. Auch Ägyptens Mansur-Gesuch gelangte so an das BKA. Deutschland hat jedoch selbstständig zu prüfen, was und wen es in sein Fahndungssystem stellt. Will man ausländischen Festnahmeersuchen folgen, entscheidet das dem Justizministerium unterstellte Bundesamt für Justiz in enger Absprache mit dem Auswärtigen Amt. Die deutschen Behörden gaben die Fahndung nach Mansur Ende Januar frei – und das, obwohl Interpol bei dem Ersuchen einen Verstoß gegen seine Statuten rügte, die verhindern sollen, dass die polizeiliche Zusammenarbeit für politische Zwecke missbraucht wird.

Bundesregierung als Handlanger von al Sisi?

Kann daraus der Vorwurf abgeleitet werden, die Regierung habe sich zum Handlanger al Sisis gemacht? Auslieferungen sind ein Massengeschäft der Strafverfolgung. Was an den Vorwürfen dran ist und ob überhaupt ausgeliefert werden darf, sieht sich im Einzelnen dann die deutsche Justiz an. Nicht immer geschieht das gründlich genug. So hat das Bundesverfassungsgericht schon bei vorläufigen Festnahmen angemahnt, die Auslieferungsprüfung jedenfalls dann vorzuziehen, wenn es evidente Verweigerungsgründe gibt. Dazu gehört ein fehlender oder schlecht begründeter Tatverdacht ebenso wie die Gefahr politischer Verfolgung.

Der zuständige Amtsrichter hätte Mansur dem ägyptischen Zugriff also trotz möglicher Versäumnisse auf Regierungsseite schneller entziehen können. Stattdessen verfügte er, den Verdächtigten zunächst in Gewahrsam zu behalten. Nun hat die Justiz ihre Einschätzung korrigiert. Es ist kein Freispruch, genauso wenig wie die kurzzeitige Festsetzung eine Verurteilung war.

Ein prominenter Betroffener, internationale Proteste – war das der Grund, warum noch umgesteuert wurde? Jedenfalls legt der Ablauf nahe, dass internationale Rechtshilfe es nur begrenzt verträgt, wenn sie automatisiert wird. Der Fall Mansur ist ein Schadensfall, der aufgearbeitet gehört.

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