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Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eröffnet 2006 in der Bundeskunsthalle in Bonn im Beisein von RAG-Chef Werner Müller symbolisch das Duell Wladimir Kramnik gegen den Schach-Computer "Deep Fritz".

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Umstrittener Spendenaufruf: Peer Steinbrück: Schach dem Kandidaten

Als Finanzminister warb Peer Steinbrück für ein kommerzielles Schachturnier - wie kam er bloß dazu? Diese Sache verrät viel über den möglichen Kanzlerkandidaten der SPD. Zu viel, vielleicht.

Das war ein besserer Tag für den Schachspieler Peer Steinbrück. Mit einem Rösselsprung aufs Feld der Bankenregulierung setzte er sich von seiner früheren Politik ab. Zugleich diente dieser Zug der Ablenkung, denn noch am Tag zuvor stand er, der König im Wartestand, ohne Deckung auf dem Feld. Da waren Bettelbriefe des früheren Ministers aufgetaucht: Post und Telekom sollten 2006 mit Millionenbeträgen ein privat organisiertes Schachturnier mitfinanzieren. Sie taten es nicht, und das ist Steinbrücks kurzes Glück. Aber die Sache verrät viel über den möglichen Kanzlerkandidaten der SPD. Zu viel, vielleicht.

Steinbrück scheint das selbst zu ahnen, das legt seine dünnhäutige Reaktion auf Fragen zu Kandidatenkür und Sponsorendrückerei nahe: „Wir sind ja nicht in Nordkorea und jeder kann berichten, was er gerne möchte“, sagte er, und: „Wir benennen den Kanzlerkandidaten nicht zu früh, weil er dann anschließend nicht zuletzt von ihrer Branche hier permanent an der Wand entlanggezogen wird. Und das ist ja schon absehbar.“

Daran ist zweierlei bemerkenswert. Zum einen, dass ein Politiker, der Kanzler werden und mithin einen der physisch und psychisch belastendsten Jobs in diesem Land übernehmen möchte, sich davor scheut, beobachtet und gegebenenfalls kritisiert zu werden. Zum anderen geht Steinbrück offenbar davon aus, dass da noch mehr kommt – weil da noch mehr ist?

Einstweilen sind Steinbrück schon ein paar naheliegende Fragen zu einem fragwürdigen Vorgang zu viel. Dabei ist nicht erst seit der Affäre Wulff/Glaeseker jedem halbwegs politisch denkenden Menschen klar, dass die politische Sponsorensuche für private Geschäftsleute womöglich sogar ein Fall für den Staatsanwalt ist.

Mit einer Spitzfindigkeit versucht Steinbrück sich aus der Affäre zu ziehen: Der Briefbogen sei ein privater gewesen und habe nicht den Bundesadler getragen. Aber auch ohne Federvieh und Bundestagshandbuch wusste jeder Empfänger von Steinbrücks Post gleich Bescheid, wer da schreibt, denn dass er Bundesfinanzminister ist, das hatte Steinbrück auch auf seine Privatpostbögen drucken lassen. Ob er Angst hatte, dass es jemand vergisst? Oder dass seine Briefe ohne die Autorität des Amtes weniger Gewicht haben? Jedenfalls gibt es von solchen Briefen ohne Adler keine Kopien im Ministerium. So weiß dort auch niemand, ob die zwei Sponsorenanfragen des damaligen Ministers an halbstaatliche Unternehmen die einzigen sind.

Mag sein, dass er es wirklich nur gut gemeint hat mit seinem Lieblingsspiel, und dass er der Post und der Telekom fürsorglich die aus seiner Sicht große Chance anbieten wollte, sich ranzuhängen an dieses tolle Event. Schauen wir doch mal, wer es veranstaltet hat: Josef Resch heißt der Mann, ein deutschrussischer Buntmetallhändler, der befreundet ist mit Vladimir Kramnik, der damals gegen den Computer „Deep Fritz“ antrat.

In einem Interview mit der Zeitschrift „Chessbase“ beschrieb Resch 2008, also zwei Jahre nach Steinbrücks umstrittenem Einsatz, sein Konzept so: „Ich nehme mein eigenes Geld in die Hand, finanziere es vor und mache ein Produkt damit. Und wenn ich dieses habe, also einen Event, der steht, der so oder so stattfindet, dann gehe ich damit in den Markt.“ Eine Art Wimbledon für Schach wolle er aufbauen, mit Rechteverwertung und allem drum und dran. Es ist ein hart kalkuliertes, langfristiges Investment, trotz Schachleidenschaft: ein Geschäft. Was hat da der Finanzminister zu suchen?

Nach der WM 2008 veröffentlichte Reschs Veranstaltungsfirma, die „Universal Event Promotion“, eine Erfolgsbilanz, darin heißt es: „Die UEP bedankt sich ... ganz herzlich bei Peer Steinbrück, dem Bundesminister der Finanzen und Schirmherrn der WM, unseren Hauptsponsoren Evonik Industries und Gazprom...“

Und die SPD spricht von einer „Lappalie“.

Hinweis der Redaktion: Aus rechtlichen Gründen wurde aus dem ursprünglichen Beitrag für diese Fassung eine kurze Passage gestrichen.

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