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Umstrittenes Bahnprojekt: Stuttgart 21: Kein feiner Zug

Das Projekt "Stuttgart 21" wurde in Wahlen und Gerichten legitimiert. Deshalb haben die Befürworter wohl gemeint, das sei es schon; die Sache nimmt ihren Lauf. Das ist so unpolitisch, dass es einen grausen kann. Ein Kommentar.

Wo wir gerade so hohen Besuch haben: In China gäb es das Problem nicht. In Schanghai oder Peking wird ein Großprojekt nach dem anderen gebaut und nicht nach rechts oder links geschaut. Protestbewegungen gegen Erdbewegungen? Wenn da welche sind, werden sie kaum bekannt und nicht die Republik und ihre Führung erschüttern. Die geht an Modernisierung anders ran. Gastfreundlich ausgedrückt.

Weil wir aber nicht in China sind, sondern in Deutschland, ist das in Stuttgart anders. Da hat sich jetzt, nach langen Jahren eher unbemerkten Wirkens, eine lautstarke Protestbewegung gegen den neuen unterirdischen Hauptbahnhof formiert, gegen ein Großprojekt mit Milliarden an Kosten. Der mögliche Nutzen? Der geht im Moment im Gepfeife Tausender unter, und zwar nicht aus einem schwarzen Block, sondern von braven, biederen Bürgern. Stuttgart eben. Was ist da passiert?

Das Projekt läuft seit 15 Jahren, nicht unumstritten, aber beschlossen, in Wahlen und Gerichten legitimiert. Deshalb haben die Befürworter wohl gemeint, das sei es schon; alles klar, die Sache nimmt ihren Lauf. Das ist so unpolitisch, dass es einen grausen kann. Mal abgesehen von wirklich oder vermeintlich gebrochenen Versprechen führender Politiker ist es so, dass alle Verantwortlichen, von der Bundes- über die Landes- bis zur Stadtspitze, in Sprachlosigkeit und Erklärungsstarre gefallen sind, die die regierende Politik bei vielen Bürgern delegitimiert. Wie man sieht. Wie man hört.

So, und dann kommen noch, ganz praktisch, ganz einfach, wie es halt ist bei solchen Projekten, enorme Kostensteigerungen und Schwierigkeiten hinzu. Und die politische Klasse versteht immer noch nicht? Das kann doch nicht sein! Darum wächst der Protest, wächst die Entfernung zwischen Gewählten und denen, die sie wählen. Die Bürger, Wähler sind der Souverän, und das ist nicht nur ein Wort. Politik im Sinne der Res Publica muss ihre Legitimation beim Bürger suchen, nicht umgekehrt. Immer wieder aufs Neue. Wie jetzt. Denn Politik ist, und das ist nicht banal, für die Menschen da, nicht umgekehrt. Wer regiert, kann sich bei Nichtgefallen kein neues Volk wählen. Umgekehrt schon.

Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit sind kein Placebo, sondern Grundrechte. Die werden in Stuttgart in Anspruch genommen, nicht mehr, nicht weniger. Aber auch immer mehr, weil alle Beteiligten lange geglaubt haben, mit einem legalistisch-autoritären Ansatz könnten sie den Protest überstehen. Oder wie ein Rammbock zur Seite schieben. Oder mit harter Haltung ihre Klientel beeindrucken und die Gegenbewegung als bloße linke und alternative Provokation kleinmachen. Wenn das Letzte die Überlegung gewesen sein sollte, dann hat ein Blick auf die Demonstranten anderes gelehrt. Ganz anderes.

Sie hätten es wissen können, die Landesoberen, die Stadtoberen, die Bahn. Die Wahlen, von denen immer die Rede ist, sind gerade in Stuttgart auch wegen Stuttgart 21 knapp ausgefallen. Vor Jahren schon, als damals Rezzo Schlauch gegen Wolfgang Schuster verlor. Die Warnungen danach, dass mehr und beständig Information und Transparenz nötig wären, um für fortlaufende Legitimierung des Projekts zu sorgen, die sind überhört worden, geflissentlich, überheblich. Als wüssten sie es besser.

Der Ministerpräsident weiß es, inzwischen, besser. Es ist eine Krise der Politik, und längst nicht mehr nur seiner Politik. Welche Antwort gibt er? Die Republik schaut auf Stuttgart.

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