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Meinung: UN-Konferenz in Durban: Der ganz alltägliche Rassismus

Den Vereinten Nationen droht Liebesentzug. Heute beginnt im südafrikanischen Durban ein Welt-Gipfel gegen den Rassismus.

Den Vereinten Nationen droht Liebesentzug. Heute beginnt im südafrikanischen Durban ein Welt-Gipfel gegen den Rassismus. Amerikaner und Israelis boykottieren ihn ein wenig. Sie schicken herabgestufte und geschrumpfte Delegationen. Britische Zeitungen rufen zum Fernbleiben auf. Platzt da eine überflüssige Palaver-Runde? Immerhin soll über so unterschiedliche Themen wie Arbeitslosigkeit, Trinkwasser und Aids debattiert werden - und dies alles unter dem Titel Rassismusbekämpfung.

Der Tagungsort zumindest ist gut gewählt. In der Stadt, in der Gandhi lange vor dem Unabhängigkeitskampf in Indien seine Karriere als Menschenrechtsanwalt startete, lässt sich gut über Rassismus reden. Gerade auch deshalb, weil Südafrika zwar die Apartheid nieder rang, aber längst Kratzer im Sieger-Image abbekommen hat. In zwei Nachbarstaaten herrscht offener staatlicher Illiberalismus: In Zimbabwe gegenüber Weißen und landlosen Schwarzen, den Bauern im Machtspiel Präsident Mugabes, in Namibia gegenüber Homosexuellen, über deren "Eliminierung" im Parlament debattiert wird. Doch Afrikaner scheuen die Kritik an Afrikanern, um nicht als Nestbeschmutzer zu gelten und die Forderungsfront gegen den Westen aufzuweichen. Sie riskieren so ein unerträgliches Schweigen.

Rassismus ist facettenreich. Viele Israelis und Palästinenser sprechen sich gegenseitig nicht nur den Friedenswillen ab, sondern die Menschlichkeit. Afghanistans Taliban verweigern Frauen jede Selbstentfaltung. Bei uns schlagen Neonazis auf Asiaten ein; türkische Halbstarke pöbeln schwarz-weißen Paaren hinterher. Im Einwandererland USA achten Iren und Italiener darauf, nicht die Wohnbezirke der jeweils anderen zu stören. Australien wehrt sich gegen Bootsflüchtlinge, Spanien gegen Marokkaner, Italien gegen Schwarzafrikaner. All dies gehört ins Kaleidoskop der Spielarten dessen, was im Extremfall Rassismus ist.

Nur: Landesgrenzen zu kontrollieren ist kein Rassismus. Die Konferenz will Einwanderungsgesetze anprangern, die Neubürger diskriminieren. Niemand wird sich darum scheren. Was hilft gegen Rassismus? Bildung, Entwicklung, Wohlstand? Dann hätten wir Deutschen nicht die Gaskammer erfinden dürfen. Der Nationalstaat? Dann hätten die USA nicht die Indianer ermorden und die Schwarzen versklaven dürfen. Multi-ethnische Staaten? Dann hätten der Balkan und der Kaukasus ihre Kriege nicht nötig gehabt. Ländliche Abschottung vom Trubel der modernen Welt? Dann hätten sich Hutu und Tutsi nicht abschlachten dürfen. Internationalistische Ideologie? Die hinderte den Real-Kommunismus nicht an der Errichtung des Gulags. Eigenstaatlichkeit? Dann würden aus Indonesien hunderte Timors. Das Lernen aus Schmach und Demütigung? Viele Japaner sehen noch immer auf Koreaner herab und wollen keine Weißen in ihren Bars und Diskos. So vielschichtig sind die Probleme, vom großen Morden bis zur Alltags-Diskriminierung.

Doch Durban wird Zwist statt Heilung bringen, denn es droht eine Woche der Schuldzuweisungen. Dahinter steht der Grabenkampf zwischen Nord und Süd um - Geld. Die Konferenz wird es schwer haben, nicht zu einem Tribunal gegen Globalisierung und Neoliberalismus zu werden, gegeißelt als aktuelle Variante des westlichen Imperialismus. Aber vor allem der arabische Versuch, dem "Zionismus-ist-Rassismus"-Slogan neues Leben einzuhauchen, hat Kofi Annan schlaflose Nächte bereitet. Der Generalsekretär kennt die Gefahr: Durban ist eine Konferenz, die ihren Machern zu entgleiten droht.

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