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Syriens Präsident Baschar al Assad lässt weiter schießen.

© AFP

UN kritisiert Syrien: Fortschrittchen

Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet eine Erklärung zu Syrien. Dort wurden wahrscheinlich bereits 1600 Demonstranten getötet. Eine UN-Resolution blieb aus - dennoch ist die Erklärung ein Erfolg.

Von Hans Monath

Auf den ersten Blick scheint es ein diplomatisches und moralisches Desaster: Während in Syrien weiter Panzer gegen Demonstranten rollen, beschließt der UN-Sicherheitsrat nicht die geringste Sanktion gegen das Regime. 1600 Demonstranten haben Assads Truppen wahrscheinlich bereits abgeschlachtet, aber das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen verabschiedet nicht einmal eine Resolution, sondern bloß eine Erklärung ihres amtierenden indischen Vorsitzenden.

Und trotzdem ist es angesichts der politischen Realitäten im Sicherheitsrat ein Erfolg, dass Indiens UN-Botschafter die Verletzungen der Menschenrechte und die bewaffneten Übergriffe syrischer Soldaten auf Zivilisten verurteilte. Zwar klingt es zynisch, wenn „beide Seiten“, die unbewaffneten Demonstranten und die Scharfschützen des Regimes, zu Zurückhaltung aufgerufen werden. Doch dafür stehen nun alle 15 Sicherheitsratsmitglieder hinter der Verurteilung von Assads Regime, auch Russland und China.

Beide Länder hatten sich massiv gegen eine rechtlich bindende Resolution gestemmt – und dem Westen vorgeworfen, er habe schon die Libyenresolution zum Vorwand für den Luftkrieg gegen Gaddafi genommen. Tatsächlich wollen beide Mächte keinen Präzedenzfall schaffen, der ihnen das Vorgehen gegen Minderheiten oder Oppositionen im eigenen Land erschwert. Im Wissen um diese Skepsis hatte Deutschland erst gar keine Sanktionen vorgeschlagen. Nun ist Bewegung in die Syrienfrage gekommen. Und der jüngste deutsche Vorschlag zur Etablierung eines UN-Sondergesandten für Syrien zielt darauf, die Chancen der neuen Dynamik zu nutzen.

Allerdings ist es zu einfach gedacht, nur Moskau und Peking für den Widerstand gegen eine harte Resolution verantwortlich zu machen. Auch die aufstrebenden Mächte Indien, Brasilien und Südafrika blieben skeptisch gegenüber einem stärkeren Signal gegen das Regime in Damaskus.

Dabei verfolgen die drei Demokratien anders als Russland oder China nicht in erster Linie eigene Sicherheitsinteressen. Sie haben als ehemalige Kolonialmächte schlicht eine andere Perspektive auf die Weltgeschichte und sehen vor allem die Widersprüche westlicher Politik. Während die meisten Europäer und Amerikaner selbstverständlich auf Meinungsfreiheit oder politische Mitsprache überall auf der Welt pochen, sind andere Gesellschaften misstrauisch gegenüber der menschenrechtlichen Begründung einer Intervention in die Angelegenheiten anderer Staaten.

Die Syriendebatte zeigt deshalb: Damit die Berufung auf die Menschenrechte nicht als Deckmantel knallharter Interessenpolitik gedeutet wird, muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Deutschland, das nichtständige Mitglied, gilt im Sicherheitsrat als unabhängig, als glaubwürdig und steht deshalb besonders in der Pflicht. Doch leider sind Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien nicht der schlagende Beweis dafür, dass Berlin die Menschenrechte im Nahen und Mittleren Osten wirklich als Maßstab nimmt.

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