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Autozündler: Ungebremst und mental überhitzt

Immer wieder brennen Autos in Berlin. Die Polizei vermutet den oder die Täter im linken Spektrum, kann weitere Anschläge aber derzeit trotzdem nicht verhindern. Auch weil sich Politik und Justiz beim Thema Extremismus naiv verhalten.

Von Frank Jansen

Es ist so einfach und ärgert doch gewaltig. Ein kokelnder Grillanzünder auf einem Reifen genügt, um einen Wagen in Flammen aufgehen zu lassen. Das schaffen selbst schlichte Gemüter. Und so wird Berlin fast schon Nacht für Nacht von der Autozündelei heimgesucht, ein Ende des Feuerterrors ist nicht absehbar. Da häufig Fahrzeuge der Marken BMW, Mercedes und Audi attackiert werden, vermutet die Polizei meist den oder die Täter der Serie im linksextremen Spektrum. Offenbar zu Recht – in der vergangenen Woche verurteilte das Amtsgericht Tiergarten einen linksextremen Autozündler, der im Mai in Friedrichshain einen BMW angesteckt hatte. Doch gerade dieser Fall zeigt nahezu symptomatisch, warum die Stadt nicht in der Lage zu sein scheint, die mutmaßlich politisch motivierten Attacken auf „Nobelkarossen“ wenigstens einzudämmen.

Der Richter verkündete allen Ernstes, die Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten reiche aus, um eine generalpräventive Wirkung zu erzielen, also den Angeklagten  und weitere potenzielle Autozündler nachhaltig abzuschrecken. Naiver geht’s kaum. Wer sich auch nur ansatzweise mit politisch motivierter Kriminalität befasst, müsste wissen, dass Überzeugungstäter und ihr Anhang mit einem solchen Urteil nicht zu beeindrucken sind. Zumal der einschlägig vorbestrafte Angeklagte aus der Untersuchungshaft freikam. Prompt ging seitdem die Zahl der angezündeten Limousinen rasant in die Höhe. Ein Zufall?

Teile der linksextremen Szene sind mental überhitzt und werden zu wenig gebremst. Das gilt auch für jene Antifaschisten, die mit Fäusten und Reizgas Funktionäre der NPD und anderer ultrarechter Parteien attackieren. Und deren Wahlplakate demolieren. Dass dann Rechtsextremisten, wie es ihre Art ist, gewaltsam antworten, steigert die selbstgerechte Empörung der Plakatabreißer und Anti-Nazi-Schläger noch. Außerdem können sie sich moralisch gestärkt fühlen, wenn ein bekannter demokratischer Politiker meint, im Wahlkampf gegen rechts geltendes Recht missachten zu müssen.

Ende Juni hat der grüne Bürgermeister des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg der islamfeindlichen Splitterpartei „Pro Deutschland“ eine Veranstaltung im Rathaus Kreuzberg verhindert. Obwohl das Verwaltungsgericht den Anspruch der Ultrarechten auf den gewünschten Saal bestätigt hatte. Schulz verwehrte zudem der Polizei, mit Hinweis auf sein Hausrecht, dem Häuflein Rassisten einen Weg durch die Gegendemonstranten im Rathaus zu bahnen. Auch hier gilt: Naiver geht’s eigentlich nicht. Schulz glaubt, er habe einen Erfolg im Kampf gegen den Rechtsextremismus erzielt. Doch was er zustande gebracht hat, ist blamabel.

Die Islamfeinde bekamen eine publizistische Aufmerksamkeit, die sie angesichts ihrer randständigen Existenz nie aus eigener Kraft erreicht hätten. Und Schulz hat einen Rechtsbruch begangen, was andere Linke als Rückendeckung für Angriffe auf den Wahlkampf von NPD und Konsorten interpretieren können. Wie wollte dieser Politiker jetzt noch glaubwürdig argumentieren, der Kampf gegen Wiedergänger des Nationalsozialismus müsse sich an den Normen des Rechtsstaats orientieren?

Das Verhalten des grünen Bürgermeisters und die fahrlässige Milde des Amtsrichters gegenüber einem Autozündler sind als Signal fatal. Da hilft es wenig, dass Klaus Wowereit jetzt die Brandstiftungen als „verwirrten Vandalismus“ bezeichnet, der „völlig unakzeptabel“ sei. Ach ja. Andererseits rufen Gliederungen der SPD immer wieder mal gemeinsam mit rabiaten Linksextremen zu Protesten gegen Rechtsextremisten auf. Allerdings zeugt auch die reflexhaft vorgetragene Forderung der CDU nach einer SoKo gegen die Autozündler von dröhnender Hilflosigkeit. Die Polizei hat enorme Kräfte mobilisiert, um die Hassbrenner aus dem Verkehr zu ziehen.

Es hilft nur, dass Berlin mehr auf sich selbst achtgibt. Da macht Mut, dass Staat und Gesellschaft das Randaleritual vom 1. Mai heruntergedimmt haben. Wenn Berlin will, gelingt das auch bei Autozündlern. Und anderen Militanten.

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