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Meinung: USA und China: "Xiao Bushi" wird zum Problem

Man kennt das jährliche Ritual: Jedes Frühjahr malt Taiwan die Bedrohung durch China an die Wand und schickt Washington eine Liste mit angeblich dringend benötigten Waffen. Pekings KP-Führer toben dann eine Weile, sprechen von der "patriotischen Pflicht" der Wiedervereinigung.

Man kennt das jährliche Ritual: Jedes Frühjahr malt Taiwan die Bedrohung durch China an die Wand und schickt Washington eine Liste mit angeblich dringend benötigten Waffen. Pekings KP-Führer toben dann eine Weile, sprechen von der "patriotischen Pflicht" der Wiedervereinigung. Die Lösung ist jedes Jahr die gleiche: Die USA schicken Waffen nach Taiwan, aber genau eine Klasse unter denen auf der Wunschliste. Alle sind zufrieden. Die Taiwaner, weil sie überhaupt Waffen bekommen. Peking, weil es sein Gesicht gewahrt hat. Und Washington, weil man die freie Welt beschützt und ansonsten seine Ruhe hat.

Dieses Mal ist es anders gelaufen, nämlich schief. Mit seiner widersprüchlichen Taiwan-Politik gefährdet Bush die Beziehungen zwischen China und den USA. Dabei geht es weniger um seine Entscheidung bei den Waffenlieferungen. Zwar hat Bush das stille Abkommen mit Peking gebrochen, und Taiwan mit Diesel-U-Booten erstmals offensive Waffen versprochen. Insgeheim werden Pekings Führern jedoch damit gerechnet haben, dass "Xiao Bushi", wie Bush Junior genannt wird, sie fürs Festhalten der Crew des Spionageflugzeuges abstrafen würde.

Nicht die Waffenlieferungen oder das Spionage-Flugzeug sind das Problem. Chinas wunder Punkt ist der Status von Taiwan. Seitdem 1949 Chiang Kai-sheks Nationalchinesen vor Maos Kommunisten nach Taiwan flüchteten, ist die Insel für Peking eine abtrünnige Provinz. Dabei ist China in der Taiwanfrage so rational wie die USA beim Kuba-Embargo. Sollten die Taiwaner eines Tages die Unabhängigkeit erklären, droht Peking mit einem Angriff. Selbst Dissidenten, die sonst kein gutes Haar an der KP lassen, sind in diesem Punkt auf Regimekurs. Staats- und Parteichef Jiang Zemin erklärte die Taiwanfrage zur Chefsache. Mit Fortschritten bei der Wiedervereinigung will er in die Geschichtsbücher eingehen.

Mit seinen Kommentaren der vergangenen Tage hat Bush die Taiwanfrage plötzlich neu gestellt. Nach dem Wechsel der Beziehungen 1979 von Taipeh nach Peking gab Bush als erster US-Präsident eine militärische Verteidigungsgarantie für Taiwan ab. Auch wenn Bush seine Äußerungen später relativierte - für Chinas Führung ist die neue Taiwanpolitik der USA eine Kampferklärung an ihrer intimsten Stelle. Daran gemessen ist es in Peking bislang ungewöhnlich still. Die Staatsmedien schweigen zu Bushs Kommentaren. Für China ist das ein schlechtes Zeichen. Pekings Führer werden sich genau überlegen, wie sie in Zukunft mit der Großmacht USA umgehen werden. Die eingespielten Rituale gelten nicht mehr. Zuzuschreiben hat sich das "Xiao Bushi" selbst.

Harald Maass

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