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USA und Deutschland: Kerry kann Europa in den USA aufwerten

Die USA blicken vor allem nach Asien. Doch der neue Außenminister John Kerry kann seinem Land ein anderes Europa-Bild vermitteln.

Berlin-Besuche amerikanischer Außenminister waren einst symbolisch. Von John Kerrys Antrittsvisite bleibt vor allem hängen, dass er als Teen durchs Brandenburger Tor geradelt ist, seine Großeltern Juden aus Schlesien waren – und das Hauptthema seiner Reise im Übrigen Syrien ist. Wird so ein Mann die atlantischen Beziehungen wiederbeleben? Alle Welt redet darüber, dass die USA unter ihrem ersten „pazifischen Präsidenten“ nach Asien blicken. Welchen Einfluss haben biografische Prägungen überhaupt noch auf die Außenpolitik? Geben nicht aktuelle Krisen und Herausforderungen den Takt vor, wie die Reiserouten von Hillary Clinton und Condoleezza Rice belegen?

Die emotionalen Bindungen des neuen Außenministers an Berlin und an Frankreich, wo er als Kind manche Sommerferien verbrachte, werden Europas Stellung in Amerikas Geopolitik nicht grundlegend verändern. Zudem prägt er die öffentliche Meinung in den USA weniger als der Präsident. Die Zeiten, in denen Berlin wegen der Teilung der Stadt und des Kontinents der Nabel amerikanischer Weltpolitik war, kehren nicht zurück.

Aber Kerry kann dank seines persönlichen Interesses und seiner Kenntnisse helfen, verbreitete Fehlwahrnehmungen zu korrigieren. Viele Amerikaner überschätzen Asien und unterschätzen die Bedeutung Europas. Die meisten haben von der Dynamik und den Wachstumsraten im pazifischen Raum gehört. Nur wenige wissen, dass der Austausch von Waren, Dienstleistungen und Investitionen über den Atlantik viel größer ist und mehr Jobs daran hängen.

Zum anderen hat Kerry anklingen lassen, dass er erfolgreiche Instrumente aus der Geschichte der atlantischen Partnerschaft anderswo anwenden möchte. Das Beispiel Marshall-Plan ist zwar nicht originell, wirkt aber immer noch. Wie beruhigend wäre es für Amerika wie Europa, wenn es in Asien bereits ähnliche Sicherheitssysteme wie die Nato und die Krisenwarnmechanismen mit der Sowjetunion auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges gäbe. Der Inselstreit zwischen China, Japan und Korea mit all seinen nationalistischen Untertönen erinnert manche Beobachter an die Atmosphäre in Europa vor hundert Jahren, als wenige Schüsse in Sarajevo genügten, um einen Weltkrieg auszulösen.

Kerry macht seine Antrittsbesuche zu einem Zeitpunkt, der aus verschiedenen Gründen die Chance zur Neujustierung der amerikanischen Bilder von Asien und Europa bietet. In Asien schrumpfen die Chancen und wachsen die Risiken. Die Wachstumsraten sinken, Grenzstreitigkeiten und innere Konflikte in den Staaten nehmen zu. In Europa ist es tendenziell umgekehrt. Die USA haben es mit der Schwarzmalerei bei der Euro-Krise übertrieben. Deutschland gilt bei den Rezepten für die Überwindung der Wirtschaftskrise in vielen Bereichen als Vorbild. Und die Debatte um das Atlantische Abkommen rückt die Wirtschaftskraft der EU in den Blick.

Kerry kann Europa in der inneramerikanischen Debatte aufwerten. Dafür braucht er selbstbewusste Europäer, die dabei helfen.

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