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Alle Wähler sind auch Verbraucher. Doch mit Verbraucherpolitik können die Wahlkämpfer kaum punkten.

© dpa

Verbraucherschutz: Die Verbraucher haben die Wahl

Alle Parteien kämpfen um die Gunst der Konsumenten, können damit aber kaum punkten, denn Verbraucherpolitik ist vor allem Krisenmanagement. Das ist schade, denn im Wesentlichen hat die schwarz-gelbe Koalition ihre Hausaufgaben gemacht.

Wenn die Kanzlerin und ihr Herausforderer auf ein- und derselben Veranstaltung sprechen, muss das wichtig sein, oder? An diesem Montag treten Angela Merkel und Peer Steinbrück auf dem Deutschen Verbrauchertag in Berlin auf, um vor Verbraucherschützern, Politikern, Wissenschaftlern und allem, was Rang und Namen in der deutschen Verbraucherszene hat, zu punkten. Wenn das kein Zeichen ist!

80,2 Millionen Menschen leben derzeit in Deutschland, das sind zwar 1,5 Millionen weniger als erwartet – wie uns die jüngste Volkszählung aufgeklärt hat –, aber immerhin noch eine Menge Volk. Arme, Reiche, Junge, Alte, Städter, Dörfler, Migranten und Nichtmigranten – so unterschiedlich all diese Menschen sind, eines eint alle: Jeder ist Verbraucher. Das Baby, das Windeln und Schnuller konsumiert, bis hin zum alten Menschen. Kein Wunder, dass die Politik versucht, zumindest diejenigen der 80,2 Millionen auf ihre Seite zu ziehen, die wählen dürfen.

Wenn Politiker als Anwälte, als Freunde der Verbraucher auftreten, signalisieren sie damit Bürgernähe. Die Botschaft heißt: Wir verstehen eure Nöte, wir helfen euch, wenn es brenzlig wird, wir beschützen euch – vor bösen Banken, knickerigen Versicherungen, skrupellosen Lebensmittelpanschern und Internetbetrügern. Wie Eltern, die ihren Kinder beistehen, wenn diese wieder etwas Dummes angestellt haben. Leider will kein Erwachsener ein solches Kind sein. Deshalb geht die Rechnung nicht auf.

Denn Verbraucherschutz setzt immer da an, wo die Dinge aus dem Ruder laufen. Wenn Eltern massenhaft hohe Rechnungen von Abmahnanwälten bekommen, weil ihre Kinder illegalerweise Musik oder Filme im Internet getauscht haben, springt die Politik den verängstigten Eltern zur Seite. Sollte nicht noch auf den letzten Metern etwas schiefgehen, wird die Koalition ihr Anti-Abzocke-Gesetz, mit dem sie allzu raffgierige Advokaten in die Schranken verweist, wohl doch noch in dieser Legislaturperiode über die Bühne bekommen. Das ist gut, aber gewinnt man damit die Wahl?

Auch auf die Lebensmittelskandale um Dioxin, Ehec und Pferdefleischlasagne hat die Koalition reagiert. Sie hat die Kontrollen der Produzenten verstärkt, den Behörden die Möglichkeit gegeben, die Bürger zu warnen, und den Informationsaustausch verbessert. Auch das ist eine gute Sache. Aber jetzt, wo die Skandale vorbei sind, interessiert das niemanden mehr – zumindest nicht bis zum nächsten Skandal.

Warteschleifen bei Servicehotlines sind seit Samstag kostenlos, ja und? Den Button, der seit einiger Zeit bei Internetgeschäften vor kostenpflichtigen Bestellungen warnt, nimmt man als Käufer nur noch beiläufig zur Kenntnis. Auch die Produktinformationsblätter und die Beratungsprotokolle der Bank liest man nicht wirklich gern.

Im Verbraucherschutz hat die Koalition ihre Hausaufgaben im Großen und Ganzen gemacht. Selbst die Schlichtungsstelle für Flugpassagiere hat Schwarz-Gelb nach jahrelangen Verhandlungen auf den Weg gebracht. Und man muss einräumen, dass auch die FDP, die sich sonst eher als Lobbypartei für die Wirtschaft versteht, in Sachen Verbraucherschutz mitgezogen hat.

Schade nur, dass man damit keine Wahlen gewinnt. Das hat zwei Gründe: An nichts gewöhnt man sich so schnell wie an die Abwesenheit von Problemen. So lange alles reibungslos klappt, ist Verbraucherschutz kein Thema. Noch schlimmer aber ist es, wenn etwas schiefläuft, wenn der Verbraucher als Opfer Unternehmen auf den Leim gegangen ist. Niemand will Opfer sein. Egal wo und warum Missstände auftreten, muss sich die Verbraucherpolitik daher erst einmal dafür rechtfertigen, dass sie das Übel nicht verhindert hat. Verbraucherpolitik ist Krisenmanagement, und in Krisen läuft die Politik stets gegen den Vorwurf an, nicht nur Teil der Lösung, sondern auch Teil des Problems zu sein.

Nein, Wahlen gewinnt man nicht mit Verbraucherschutz. Wahlen gewinnt man mit Steuersenkungen, die mehr Geld für die schönen Dinge des Lebens lassen, mit neuen, gut bezahlten Jobs oder mit sicheren Renten. Das ist ungerecht. Dennoch sollte sich die Politik davon nicht entmutigen lassen – egal, wer die Wahl gewinnt.

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