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Vollversammlung der Uno. Anspruch und Wirkung klaffen bei den Vereinten Nationen häufig auseinander.

© dpa

Tiger ohne Zähne: Vorhang auf für die Vereinten Nationen!

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am Montag in New York beginnt, ist vor allem eine große Bühne. Trotzdem wäre die Welt ohne sie schlechter dran.

Vorhang auf für die Vereinten Nationen! In dieser Woche reisen Staatspräsidenten und Außenminister wieder nach New York. Die Generalversammlung der UN ist die große Bühne, auf der die Mächtigen wie die Ohnmächtigen Gehör finden. Auf sie richten sich viele Hoffnungen: das Signal breiter Unterstützung für die Demokratisierung der arabischen Welt; ein Ende des Blutvergießens in Syrien; die Aufwertung Palästinas, die – vielleicht – den Friedensschluss im Nahen Osten näher bringt; Druck auf Iran, das Atomprogramm zu beenden, damit der Konflikt nicht zum Krieg führt.

Das Treffen wird auch die Zyniker animieren: Das sei doch nur großes Theater ohne praktische Folgen. Was die GA, so das englische Kürzel für die General Assembly, beschließt, hat keine bindende Wirkung. Entscheidungen über Sanktionen und militärische Einsätze trifft der Sicherheitsrat. Der ist quasi der Aufsichtsrat der Vereinten Nationen. Macht ausüben kann freilich auch er nur, wenn die fünf ständigen Mitglieder mit Vetorecht sich einig sind. Blockieren sie sich, stehen die UN wie ein Tiger ohne Zähne da.

Beides stimmt. Die GA ist einerseits das demokratisch am besten legitimierte Gremium der Vereinten Nationen. Jedes Mitgliedsland hat eine Stimme, ob groß oder klein. Aber sie hat keine Durchgriffsmacht. Und doch wäre die Welt ohne sie schlechter dran. Sie übt indirekten Einfluss aus. Sie ist die Bühne, auf der Staaten und Organisationen um Unterstützung für ihre Sicht werben – und sie gewinnen oder verlieren. Der Auftritt des PLO-Führers Jassir Arafat 1974 in Uniform mit umgeschnalltem Pistolenhalter und Palästinensertuch war ein PR-Gewinn für sein Volk. Die Reden des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, in denen er gewöhnlich den Holocaust bezweifelt, tragen eher zur Isolierung des Mullah-Regimes bei.

Die Generalversammlung ist der Ort, wo kriegsgeplagte Länder wie Kongo und Mali, um die sich sonst keiner kümmert, um Aufmerksamkeit werben und womöglich am Ende genug Unterstützung für eine wirkungsvolle UN-Mission finden. Und da so viele Mächtige zugleich im UN-Gebäude am East River zugegen sind, ist die GA auch eine willkommene Gelegenheit für unzählige inoffizielle Begegnungen. Warum sonst würde, zum Beispiel, Barack Obama sich Zeit für New York nehmen, wo er doch eigentlich jede Stunde für den Wahlkampf braucht?

Zum Beispiel Syrien: Die GA kann das Veto, mit dem China und Russland das Assad-Regime schützen, nicht aushebeln. Aber sie kann ihnen zeigen, wie viele Sympathien sie sich mit der Blockade verscherzen. Im Februar nahm die GA eine von den arabischen Staaten und Deutschland organisierte Syrien-Resolution mit 137 zu zwölf Stimmen an.

Zum Beispiel Palästina: Die GA wird wohl auch 2012 keine Aufwertung zum vollen Beobachterstatus beschließen. Aber der Druck auf Israel, sich zu bewegen, wächst mit jedem Jahr. Sonst könnte der Beschluss 2013 erfolgen.

Zum Beispiel die Reform des Sicherheitsrats. Auch die kann die GA nicht erzwingen. Sie ist aber das Gremium, wo Deutschland und andere Anwärter auf einen ständigen Sitz um Unterstützung werben – indem sie zeigen, dass sie offene Ohren für die Anliegen anderer UN-Mitglieder haben und sich als guter Makler beweisen.

Jawohl, die GA ist vor allem eine Weltbühne mit teils besseren, teils schlechteren Theaterstücken. Aber gutes Theater kann durchaus die Welt verändern. Nicht von heute auf morgen. Aber mit der Zeit.

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