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Verhältnis zu Israel: Türkische Überheblichkeit ist fehl am Platz

Die türkische Regierung bekommt zu Hause viel Beifall dafür, wie sie die jüngste diplomatische Krise mit Israel bewältigt hat. Doch die Türkei muss aufpassen, dass sie ihren Anspruch, eine Regionalmacht zu sein, die mit allen Nachbarn gut auskommt, nicht aufs Spiel setzt. Die Auswanderung türkischer Juden hat sich zuletzt verzehnfacht.

Nach der Entschuldigung der israelischen Regierung für die Demütigung des türkischen Botschafters sieht sich die Türkei als diplomatische und moralische Siegerin. Schon kündigt Ankara selbstbewusst an, auch in Zukunft die israelische Politik im Gaza-Streifen zu kritisieren. Doch die Türkei sollte lieber über eigene Fehler nachdenken und über die Gründe, warum sich die Auswanderung türkischer Juden verzehnfacht hat. Außenpolitisch gefährdet die Türkei mit einer einseitig anti-israelischen Haltung ihre eigene Rolle in der Region. Als Freund Israels ist die Türkei einzigartig in der muslimischen Welt - als Feind Israels ist sie nur ein Land unter vielen.

Zu Hause bekommt die türkische Regierung viel Beifall dafür, wie sie die jüngste Krise mit Israel bewältigt hat. Mit der Forderung nach einer formellen Entschuldigung für das skandalöse Verhalten gegenüber dem türkischen Botschafter Oguz Celikkol, der bei einer Begegnung mit dem israelischen Vize-Außenminister Danny Ayalon vor laufenden Kameras erniedrigt wurde, fand Ankara rasch eine klare Linie, die Drohung mit dem Abzug des Botschafters war nachvollziehbar und angemessen.

Das effiziente Krisenmanagement kann die Defizite der türkischen Nahost-Politik aber nicht verdecken. Ankara tritt mit dem Anspruch einer Regionalmacht an, die im Westen und gleichzeitig im Osten verankert ist, als moderne Demokratie mit EU-Ambitionen, die mit allen Nachbarn gut auskommen und eine Führungsrolle spielen will. Dabei gibt es durchaus Erfolge, etwa bei der Annäherung an Armenien.

Doch beim Thema Israel muss sich die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Vorwurf der Einseitigkeit gefallen lassen. So kritisiert sie scharf und kontinuierlich das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen und verweist darauf, dass sich die Israelis auch im Westen viele Sympathien verscherzt haben. Wütende Stellungnahmen türkischer Spitzenpolitiker nach Untaten radikaler Palästinenser sucht man jedoch vergeblich. Auch die mehrfach wiederholten Drohung des iranischen Präsidenten Mahmut Ahmadinedschad, den Staat Israel von der Landkarte zu tilgen, blieben in Ankara ohne empörte Gegenreaktionen.

Es gibt viele Gründe für diese Einseitigkeit: Erdogans persönliche Betroffenheit über das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung, populistische Anbiederung an eine anti-israelische Stimmung im Land, das Selbstbewusstsein einer Regierung, die sich außenpolitisch stark genug fühlt, um ungeschminkt zu sagen was sie denkt.

Mittel- und langfristig tut sich die Türkei keinen Gefallen damit. Innenpolitisch ermuntert die Regierung den Anti-Semitismus, auch wenn das nicht ihre Absicht ist. Nach einer kürzlichen Umfrage wollen 42 Prozent der Türken keinen Juden als Nachbarn. Es ist kein Zufall, dass sich die Macher der umstrittenen Fernsehserie "Tal der Wölfe" ausgerechnet die Israelis als Bösewichte ausgesucht haben. Auch wenn sie den religiösen Minderheiten im Land offener gegenüber steht als alle türkischen Regierungen vor ihr, hat die Regierung Erdogan doch viel zu wenig getan, um solche Tendenzen klar zu verurteilen.

Die Juden in der Türkei fühlen sich nicht mehr wohl. In einem normalen Jahr ziehen rund 60 türkische Juden nach Israel. Im vergangenen Jahr, also nach dem Streit zwischen Erdogan und dem israelischen Staatschef Schimon Perez in Davos und dem anschließenden Beifall aus dem nationalistisch-religiösen Lager für Erdogan, waren es 600 Auswanderer.

Auch in der Außenpolitik schadet sich die Türkei selbst. Nicht trotz, sondern wegen ihrer Nähe zum Westen und auch zu Israel wird sie in der muslimischen Welt als besonderer Akteur gesehen. Wenn etwa die Syrer direkt mit Israel verhandeln könnten, würden sie das tun und würden nicht, wie vor zwei Jahren, die Vermittlung der Türkei in Anspruch nehmen, um indirekte Gespräche über die Zukunft der Golan-Höhen zu führen. Als der Irak daran ging, sein Verhältnis zur Türkei zu verbessern, begründete Bagdad das unter anderem damit, die Türkei sei eben ein Tor nach Europa.

Das bedeutet: Die Türkei sollte in ihrer Nahost-Politik nicht das Gleichgewicht verlieren. Es ist für Ankara an der Zeit, das Verhältnis zu Israel wieder zu festigen.

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