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Verlängerung der Laufzeiten: Zehn Jahre sind genug

Eine Verlängerung der Laufzeiten der AKWs wird es geben. Das ist gut für die Industrie, die bei uns viel wichtiger ist als etwa in den USA oder England, und der wir ganz wesentlich unseren Wohlstand verdanken. Spätestens 2030 sollte dann aber wirklich Schluss sein.

Mut und Realismus fordert die Elite der Wirtschaft von der Politik. Das ist immer gut. Gemeint ist: Seid mutig und setzt auf Atomkraft, gegen die Widerstände in der Bevölkerung. Dabei hilft euch der realistische Blick auf den Energiemix – ohne Kernenergie wird es auch nach 2020 nicht gehen. Den Mut zum Risiko hat diese Regierung, die Verlängerung der Laufzeiten der Akw steht im Koalitionsvertrag. Aber wie lange? Und zu welchem Preis? Unter welchen Sicherheitsauflagen? Was passiert mit den zusätzlichen Profiten? Ist eine Lösung für den Müll in Sicht? Und bremst die Kernenergie nicht die Entwicklung der erneuerbaren Energien?

Die Zukunft gehört den Erneuerbaren, das schreiben sogar die Spitzenmanager in ihrer Anzeigenkampagne für die Atomkraft. Und sicher können wir die Erneuerbaren noch forcierter ausbauen – aber das kostet viel Geld und macht den Strom teurer. Und woher stammt der Strom, wenn die Sonne weg ist und der Wind nicht bläst? Wann gibt es Stromspeicher?

Am Zieldreieck der Energiepolitik hat sich in den vergangenen Jahren nichts verändert: Klimaschutz, Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Preise. Nach diesen Vorgaben hat die Regierung das Energiekonzept für die nächsten Jahrzehnte zu konstruieren. Und das wird schwer genug. Widerstände und Widersprüche gibt es an allen Ecken und Enden, selbst die Energiewirtschaft ist sich nicht einig. Gewiss wollen die vier großen Energieerzeuger mit ihren Akw so lange wie möglich Geld verdienen. Doch 150 Stadtwerke sind strikt dagegen, weil sie eine Verfestigung des Oligopols der großen vier befürchten. Und auch bei Eon, RWE, Vattenfall und EnBW gibt es Unterschiede. Für Vattenfall etwa ist die Kohle wichtig, denn das Berliner Unternehmen macht glänzende Geschäfte mit der Verstromung ostdeutscher Braunkohle. Die ist aber extrem schmutzig. Deshalb gibt es für die Kohle nur eine Zukunft, wenn die Abscheidung und anschließende Speicherung des CO2 funktioniert. Wozu wiederum eine gesetzliche Grundlage gebraucht wird.

Kurzum: Energiepolitik ist eine komplexe Angelegenheit. Kann das diese Regierung? Setzt sich Umweltminister Norbert Röttgen durch oder Wirtschaftsminister Rainer Brüderle? Und was halten Brüderle und Röttgen wohl von dem Abkommen, das Finanzminister Wolfgang Schäuble mit den Atomkonzernen über eine Laufzeitverlängerung abgeschlossen hat? Wie verlässlich ist eine Regierung, die unter der Überschrift Sparpaket den Konzernen mal eben eine Brennelementesteuer verpasst und Ökosteuern für die Industrie erhöht?

Gut, dass Angela Merkel aus dem Urlaub zurück ist. Jetzt geht sie auf Dienstreise, besucht markante Orte der Energiewirtschaft. Natürlich schön ausgewogen, Erneuerbare sind genauso dabei wie ein Akw. Mit ein paar Fototerminen in Kraftwerken ist es aber nicht getan. Merkel muss vielmehr die anstehende Debatte über unsere Energieversorgung, über Energieverbrauch und Energiesparen moderieren und so steuern, dass am Ende ein einigermaßen schlüssiges Konzept steht, mit dem diese Gesellschaft leben kann. Abwarten und Zuschauen – das funktioniert hier nicht. Die Wirtschaft braucht eine Ansage, wie in fünf und zehn Jahren hierzulande Strom erzeugt werden soll. Und dazu Verlässlichkeit für die notwendigen Milliardeninvestitionen in neue Technologien, Kraftwerke und Leitungsnetze.

Eine Verlängerung der Laufzeiten der Akw wird es geben. Das ist gut für die Industrie, die bei uns viel wichtiger ist als etwa in den USA oder England und der wir ganz wesentlich unseren Wohlstand verdanken. Spätestens 2030 sollte dann aber wirklich Schluss sein, bis dahin wird es ausreichend andere CO2-freie Technologien geben. Für eine zehnjährige Laufzeitverlängerung werden die Akw-Betreiber einen ordentlichen zweistelligen Milliardenbetrag zahlen – Geld, das nicht allein zum Stopfen von Haushaltslöchern, sondern auch für die Energieforschung ausgegeben werden kann. Akw etwas länger nutzen und dadurch zukunftsfähige Technologien fördern – das sollte Angela Merkel den atomkritischen Deutschen erklären können.

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