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Von Fatina Keilani: Verzicht aus Luxus

Wir können nicht weiter ungehemmt konsumieren. Es sagt nur keiner

Es gibt Leute, an denen das „Kauf mehr! Kauf billiger!“-Geschrei abprallt. Leute, die lieber weniger Sachen kaufen, aber dafür bessere; lieber welche aus der Nähe als vom anderen Ende der Welt. Bei ihnen gilt: Verzicht ist der neue Luxus. Eine Massenbewegung ist das noch nicht, man muss sich diese Haltung schließlich leisten können.

Doch: diese Menschen sind eine Avantgarde. Denn Weitermachen wie bisher – das wird nicht mehr lange möglich sein. Speziell die Bewohner der Industrieländer müssen Verzicht lernen. Schaffen sie es nicht allein, wird die weltweite Entwicklung sie dazu zwingen.

Zwölf Kollektionen bringen billige Modelabels jährlich hierzulande heraus – wer braucht die? Kilometerlang sind die Regale mit buntem Plastikspielzeug – wer will das? Wer wäre angesichts der Mengen angebotener Konsumgüter noch nie überfordert gewesen?

Die Ressourcen der Erde sind begrenzt, und was verbraucht ist, ist verbraucht. Schon logisch ist grenzenloses Wachstum nicht möglich. Es wird also eine Schrumpfkur nötig sein, und danach ein Leben ohne größere Wachstumsziele. Keine Nachricht, die Politiker gern unters Volk bringen. Dabei haben sie es längst erkannt. Bundespräsident Horst Köhler, ein Wirtschaftsmann, wies in seiner letzten Berliner Rede und auch danach immer wieder darauf hin. Wir müssten lernen, mit weniger zufrieden zu sein – weniger Konsum, mehr Lebensqualität. Andere Werte eben.

Nach Erkenntnissen der Hirnforschung macht viel Konsum die Menschen ohnehin nicht glücklicher. Glück bringen Freunde und Familie, Bewegung in freier Natur und der Einsatz für andere.

Die Aussage der Schwellenländer beim Klimagipfel in Kopenhagen, wonach die Industrieländer die Vorreiter beim Klimaschutz sein müssen, weil sie die Hauptverursacher sind, ist nachvollziehbar. Und doch schwer zu akzeptieren, denn es bedeutet, dass unser Lebensstil sich ändern muss.

Die Kehrseite: Das bliebe für die Schwellenländer nicht folgenlos. Unser Verzicht kostet auch dort Arbeitsplätze, denn in der „Kauf billiger!“-Welt sind wir der Absatzmarkt für deren Produkte. Dabei würde vielen von uns Verzicht nicht wehtun. Weniger Auswahl bei Klamotten, weniger als 50 Joghurts im Laden, was macht das schon? Und das billige Fleisch, das am Ende weggeworfen wird – was für ein sinnloses Tierleben.

Dagegen herrscht in Ländern wie China ein immenser Nachholbedarf. Die Eltern der heute jungen Generation waren unterdrückt und bitterarm. Eine deutsche Unternehmensberaterin in China sagt es so: Wenn es den jungen Leuten jetzt möglich wird, ihren Eltern, die so viel erlitten haben, zum ersten Mal in deren Leben ein Bett zu kaufen, dann tun sie es. Der Kontrast zu uns könnte nicht größer sein.

Von den sechseinhalb Milliarden Menschen auf unserer Erde leben die wenigsten so ressourcenverschwendend wie wir. Die Hälfte muss mit zwei Dollar oder weniger pro Tag auskommen. In der Zukunft werden wir uns annähern müssen: Wir specken ab, die anderen legen zu, und wir helfen ihnen, unsere Fehler nicht zu wiederholen. Das könnte uns am Ende sogar glücklicher machen.

Fatina Keilani

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