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Meinung: Von Bagdad nach Jerusalem

Von Malte Lehming

In Ägypten wird getagt, im Irak gestorben. Die Diskrepanz ist groß – hier die Worte, dort der Hass, hier das Händeringen, dort das Umbringen. Wer nicht schon zynisch war, könnte es werden. Oder? Vielleicht doch nicht. Die Terroristen und Aufständischen im Irak haben militärisch keine Chance. Ihr einziges Ziel ist es, sich selbst zu Märtyrern in einem antikolonialistischen Kampf zu stilisieren. Mit ihrer Grausamkeit wollen sie den Gegner, die USSoldaten, zu Überreaktionen provozieren. Die Bilder davon sollen dann, vom TV-Sender Al Dschasira verbreitet, die Gemüter der arabischen Massen in Wallung bringen. Manchmal geht die Strategie auf. Was jüngst in Falludscha in einer Moschee geschah, passte den Rebellen perfekt in ihre Propaganda.

Um so bemerkenswerter ist, wie einhellig die Teilnehmer der Internationalen Irakkonferenz in Scharm al Scheich den Stabilisierungsprozess unterstützen. Terrorismus wird deutlich verurteilt. Iraks Nachbarstaaten werden aufgefordert, das Eindringen von Terroristen sowie deren Finanzierung und Bewaffnung zu verhindern. Die für den 30. Januar geplanten Wahlen werden begrüßt. Der Empörungseffekt, auf den die Aufständischen gehofft hatten, ist ausgeblieben. Ihnen wird die Solidarität verweigert, nicht ihren Gegnern – den Amerikanern und der Übergangsregierung von Ministerpräsident Ijad Allawi. Das lässt hoffen.

Dieser Erfolg wird auch nicht dadurch geschmälert, dass sich einige arabische Politiker einen kleinen Ermahnungsschlenker auf den nach wie vor ungelösten Nahostkonflikt nicht verkneifen konnten. Das gehört zur Standardrhetorik. Allzu ernst nehmen muss man das nicht. Jeder in der Region weiß, dass auch die Gründung eines Palästinenserstaates – so dringlich sie sein und so sehr die Hoffnung nach Arafats Tod gewachsen sein mag – kaum etwas am Problem des radikalen Islamismus ändern würde. Hass auf Amerika, auf die Emanzipation, die Demokratie, die säkulare Liberalität: Das eint und nährt die Fanatiker. Der Nahostkonflikt dient ihnen meist nur als Ventil.

Im Irak wiederum kommt der Frust der Wendeverlierer hinzu. Von der Macht Saddam Husseins profitierte die Minderheit der Sunniten. Sein Sturz kommt sie teuer zu stehen. Sie verloren Einfluss und Pfründe. In Deutschland haben Nazis und Kommunisten eine ähnliche Erfahrung gemacht. Doch auch hier zeigte sich: Rückwärtsgewandte Ressentiments halten das Neue nicht auf, allenfalls verzögern sie es ein Weilchen.

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