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Meinung: Von Breker zu Grass und zurück

Die Nazi-Nähe deutscher Künstler verrät uns wenig

Außer dem Präsidenten der Akademie der Künste, Klaus Staeck, und einigen nimmermüden Hütern der politischen Korrektheit sind alle dafür, dass man Arno Breker zeigt, aber natürlich nicht jetzt, nicht im Schleswig-Holstein-Haus unter der Leitung eines Kurators ohne Reputation und nicht ohne didaktisch-kunsthistorische Aufarbeitung. Doch dazu wäre längst Zeit gewesen. In Deutschland gibt es genügend kuratorischen Sachverstand, bedeutende Häuser und kluge Kunstkritiker, die sich mit Hitlers Lieblingsbildhauer hätten auseinandersetzen können.

Haben sie aber nicht, weil wohl viele denken, was die Schweriner Kollegin des nun angegriffenen Ausstellungsmachers ausspricht: Bei dem Phänomen Breker handelt es sich nicht um Kunst – oder, um mit einem so genannten Großen der Kunsttheorie, Bazon Brock, zu sprechen: „Breker ist ein drittrangiger Künstler, der vor allem Kitsch und Propaganda schuf“, „ein monumentaler Dekorateur der Barbarei“, wie es Klaus Staeck formuliert hat. Wenn das aber feststeht und sowieso nicht mit einer kritischen Aufarbeitung des Werkes mangels Kunstcharakters gerechnet werden kann, bleibt die Aufregung unverständlich, die der Schweriner Ausstellungsversuch auslöst. Denn warum soll sich ein interessiertes Publikum nicht selbst ein Bild davon machen, ob hier ein Künstler oder Kitschier am Werke war?

Ähnliche Pauschalurteile haben der Lyriker Benn, der Jurist Carl Schmitt und der Romancier Hamsun mehr oder weniger gut überlebt. Und auch die Verurteilung der Staatskünstler Tübke, Sitte, Heisig und Mattheuer durch die westlichen Abstrakten ist längst einer differenzierenden Betrachtung gewichen. Der Strom der westdeutschen Besucher des Bad Frankenhausener Bauernkriegspanoramas belegt, dass hier so etwas wie eine deutsche Seelenlandschaft entstanden ist.

Es ist eben nicht so, dass der große Künstler eo ipso ein weiser politischer Mensch ist. Sein Urteilsvermögen ist unzuverlässig, seine Urteile sind oftmals falsch. Das galt schließlich auch für Picasso und Brecht, deren Bewertung sowjetischen Tuns vor der Geschichte so wenig Bestand hat wie Dalis Flirt mit dem Frankismus oder die jugendliche Begeisterung eines Günter Grass für den Nationalsozialismus. Man kann ja den Neoklassizismus als steril und langweilig verdammen, nationalsozialistisch war er so wenig wie die noch heute beliebte Pariser Touristenattraktion des Palais Chaillot. 60 Jahre nach Kriegsende sollten wir frei genug sein, ein Kunstwerk für sich und nicht nach seiner angeblichen Nähe zum Nationalsozialismus zu beurteilen.

Über den Charakter des Menschen Breker ist damit so wenig gesagt, wie die Mutter Courage oder Gründgens Mephisto ihre Schöpfer zu moralischen Leitfiguren machen. Es war der Fehler von Grass, auch um den Preis der Unwahrhaftigkeit eine solche sein zu wollen, obwohl die von ihm selbst aufgestellten Regeln der politischen Korrektheit das nur bei linken Verfehlungen akzeptieren, während rechte Verfehlungen das ganze Werk beschmutzen. Mit seinem späten Eingeständnis hat Grass dafür gesorgt, dass sich diese Unterscheidung nicht halten lassen wird, wovon am Ende auch die Bewertung des Breker’schen Werkes profitieren könnte.

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