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Michelle und Barack Obama und Vize-Präsident Joe Biden feiern den Wahlsieg.

© dpa

Analyse: Wahl in den USA: Das Beste kommt erst noch

Mitt Romney ist ein Mann der Vergangenheit: weiß, reich, klassische Elite. Barack Obama ist der Mann der Zukunft: multiethnische Identität, Aufsteiger mit Gespür für neue Strömungen. Das hat ihn für viele attraktiv gemacht.

Amerika steht an der Wende vom Gestern zum Morgen. Dieses Gefühl war entscheidend für den Wahlausgang, wichtiger noch als das Bangen um Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum und Schuldenlast. Der überraschend klare Ausgang der Präsidentschaftswahl spiegelt diese Dynamik – erst recht, wenn man ihn gemeinsam mit dem Resultat der parallelen Kongresswahl betrachtet. Auf den ersten Blick scheinen sich die beiden Ergebnisse zu widersprechen. Obama hat weit besser abgeschnitten als erwartet. Seine Wiederwahl ist ein regelrechter Triumph. Trotz der negativen ökonomischen Gesamtstimmung hat er nahezu alle Swing States, die auf der Kippe standen, gewonnen.

Ist der Trend damit wieder ein Genosse der Demokraten? Nein. Denn ebenso deutlich haben die Republikaner ihre klare Mehrheit im Abgeordnetenhaus behauptet. An der tiefen Spaltung des Landes hat sich nichts geändert. Und auch nichts an den großen Zweifeln, die eine Mehrheit der Amerikaner dem Staat entgegenbringt. Der soll sich nicht zu sehr in das Leben der Bürger einmischen. Eigenverantwortung ist in amerikanischen Augen staatlicher Fürsorge vorzuziehen. Deshalb ist die Skepsis gegen die Gesundheitsreform, gegen schärfere Regeln für die Finanzaufsicht und gegen mehr staatliche Regulierung der Energiewende so groß. Die politische Mitte der USA liegt deutlich weiter rechts als in Deutschland, das bestätigt die Wahl.

Die Präsidentenwahl ist jedoch in erster Linie eine Persönlichkeitswahl und erst in zweiter Linie eine Entscheidung für das eine oder das andere Sachprogramm. Für die Mehrheit der Amerikaner verkörpert Barack Obama die Führungspersönlichkeit, die das Land in diesen Umbruchzeiten braucht, besser als Mitt Romney. Romney ist ein Mann der Vergangenheit: weiß, reich, klassische Elite. Im Vergleich wirkt Obama wie ein Mann der Zukunft: multiethnische Identität; ein Aufsteigertyp, der das Reservoir der Elite erweitert. Dazu ein Mensch mit Gespür für neue Strömungen.

Das betrifft einerseits die technische Revolution, die er für seinen Internetwahlkampf nutzte. Auch da triumphierte moderne Technik über die klassischen Methoden. Andererseits geht es um soziale Trends. Parallel zur Präsidenten- und Kongresswahl stimmten die Amerikaner mancherorts über die Legalisierung von Marihuana und die Gleichstellung der Homo-Ehe ab. Die Republikaner stemmen sich gegen solche Entwicklungen. Vielerorts – freilich nicht überall – sagen die Wähler den Konservativen, dass sie sich bewegen müssen. Sonst stehen sie „auf der falschen Seite der Geschichte“, wie man in Amerika gerne sagt. Die USA sind ein Einwanderungsland, den größten Zuwachs erfahren die Latinos. Sie sind ein entscheidender Teil der bunten Koalition, die Obama wiedergewählt hat. Die Republikaner haben ihnen nichts anzubieten. Das muss sich ändern, wenn sie künftig Wahlen gewinnen wollen.

So enthält der Ausgang vor allem eine Botschaft an beide Lager: Vergesst die Ideologien. Die Mehrheit der Wähler wünscht praktische Lösungen, die Amerika helfen, den Weg in die Zukunft zu finden. Obama wird sich von seiner Partei lösen und als Präsident über den Lagern positionieren, der diese Kompromisse anbietet. Die Republikaner müssen sich dazu durchringen, die ausgestreckte Hand zu ergreifen und die Eiferer vom rechten Flügel zu ignorieren. Dann gilt tatsächlich: Das Beste kommt erst noch.

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