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Meinung: Wahlen in Italien: Blendwerk gegen den Kommunismus

Ein Monster? Ein Satansbraten?

Ein Monster? Ein Satansbraten? Ein Unglücksbringer? So einer muss dieser Silvio Berlusconi offenbar sein. Jedenfalls wenn man all dem trauen darf, was in diesen Tagen über jenen Mann veröffentlicht wird, der sich anschickt, nach 1994 zum zweiten Mal Ministerpräsident von Italien zu werden. Und es besteht wenig Grund, dem vernichtenden Urteil über den milliardenschweren Unternehmer zu widersprechen.

Sein Sündenregister ist in der Tat schier endlos: Gerichte haben ihn mehrmals (wenn auch bisher noch nicht rechtskräftig) wegen dunkler finanzieller Machenschaften und Korruption verurteilt; Kontakte zur Mafia wurden ebenso ruchbar wie seine Mitgliedschaft in der verbotenen, staatsfeindlichen Geheimloge "P 2"; und die Erinnerungen an seine kurze Regierungszeit vor sieben Jahren sind auch nicht gerade vom Feinsten.

Bleibt eine Frage: Wenn das alles so ist, was treibt dann so viele Italiener bloß dazu, diesen Mann am kommenden Sonntag wählen zu wollen. Und das wollen sie - soweit man den Umfragen glauben kann. Ist diese Bereitschaft allein eine Antwort auf die Schwäche der Mitte-Links-Regierung der vergangenen fünf Jahre? Natürlich, die Enttäuschung war groß, als sich nach einer sehr respektablen Anfangsphase, in der dem Land das Wunder gelang, die Euro-Kriterien zu erfüllen, auch diese Regierung dem alten italienischen Sport der Selbstzerfleischung hingab. Aber immerhin, sie hat die volle Legislaturperiode durchgehalten - wer hätte das gedacht? -, und bei nüchterner Betrachtung ist ihre Bilanz nicht so miserabel, um eine Massenflucht der Wähler zu erklären.

Eher könnte das schon die geradezu unheimliche mediale Inszenierung, mit der sich Berlusconi zur Erlöserfigur erhebt. Dieser Dauerbeschuss aus seinen drei privaten Fernsehkanälen. Diese bombastischen Glücksverheißungen aus einer virtuellen Welt, diese pausenlosen Spektakel, die alle politischen Inhalte verdüstern.

Aber vielleicht kommt noch etwas hinzu. Und das erklärt sich am besten mit einem Blick auf Italiens jüngere Geschichte, auf die so genannte "italienische Anomalie". Niemals - seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die neunziger Jahre hinein - hat das Land links gewählt. Jahrzehntelang standen sich in einer ansonsten in Westeuropa unbekannten Polarisierung zwei feindliche, große Blöcke gegenüber: Christdemokraten und Kommunisten. Und weil im Nato-Staat Italien den meisten Wählern eine kommunistische Regierung als ein schier lebensgefährliches Risiko schien, kam es zu jenem Phänomen, das Politologen die "blockierte Demokratie" nannten. Und es ist bezeichnend, dass erst der Ostblock untergehen musste, ehe Italien aus dieser Blockade herausfand. Fand es wirklich heraus?

Die Jahrzehnte dieser Polarisierung, der Spaltung des Landes in die Reiche des Don Camillo und des Peppone, haben Spuren hinterlassen, haben sich tief eingeprägt und sind auch heute noch kaum überwundene gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten. Und damit weiß Silvio Berlusconi hervorragend zu spielen. Er bedient eine krude, aber eingefleischte Kommunistenangst aufs Trefflichste, indem er sich unermüdlich als Opfer stilisiert, als Zielscheibe linker Lügen, Verschwörungen und Verleumdungen.

Und das Mitte-Links-Bündnis hat ihm den Gefallen getan, auf der Klaviatur der Kommunistenangst auch ein paar Tasten zu drücken: Schließlich war es ja die Gruppe der Altvorderen von der unverbesserlichen "Rifondazione Comunista", die den erfolgreichen Premier Romano Prodi in die Knie und zum Rücktritt zwang. Was für Berlusconi zur schlichten, aber hoch willkommenen Bestätigung all dessen taugte, was er doch schon immer wusste - dass in Italien die Kommunisten das Sagen haben.

Eine verblüffende Mischung: Da tritt einer an, der in die gängigen Schemata der Politik nicht passt. Kein Ideologe, kein Mann der Programme; ein Konservativer, aber ein wirklich Rechter auch wieder nicht. Und ausgerechnet der bedient sich der alten plumpen Mechanismen. Das ist mehr als bloß verblüffend - es ist brisant.

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