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Was WISSEN schafft: Investitionen für Innovationen

DerAusweg aus der Wirtschaftskrise heißt Forschung. In Deutschland käme ein massives Innovationsprogramm insbesondere der Autoindustrie zugute.

Die Weltwirtschaft ist von einer Seuche befallen. Nach langer Inkubationszeit, Investmentbanken und Versicherer waren bereits infiziert, nahm die weltweite Epidemie mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ihren Anfang. Jetzt rast die Todeswelle um den Globus. Banken, Autohersteller, Computerfirmen – das Rückgrat der Weltwirtschaft ist in Auflösung begriffen. In Deutschland könnte es als Nächstes Opel treffen.

Angesichts der dem Tode nahen Intensivpatienten, die fast täglich neue Milliardeninfusionen fordern, sehen die geplagten Politiker das Budget für Forschung und Entwicklung (F&E) meist als Luxus an. Dass Deutschland unter den führenden 17 Industrienationen im Innovationsindikator des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nur auf Platz acht liegt, stört im Moment niemanden. Keiner interessiert sich dafür, dass Deutschland das Lissabon-Ziel, die Ausgaben für F&E bis 2010 auf drei Prozent des BIP zu steigern, weit verfehlen wird. Investitionen in F&E gelten als wenig konjunkturfördernd, weil sie nicht schnell genug wirksam werden. Deshalb ist Innovationsförderung (abgesehen von einer indirekten Unterstützung des Hochschulbaus) in keinem der beiden Konjunkturpakete vorgesehen.

Dabei werden die F&E-Budgets von der Rezession besonders hart getroffen. Großunternehmen müssen kurzfristig ihre Verluste ausgleichen, deshalb frieren sie die langfristig angelegten F&E-Ausgaben ein. Mittelständler können sich Innovation ohnehin nur leisten, wenn sie Überschüsse erwirtschaften. Kleine Technologiefirmen trifft es am härtesten, weil sie auf regelmäßige Finanzierungsrunden angewiesen sind. Angesichts der Bankenkrise ist Risikokapital jedoch kaum noch zu bekommen, der für die Geldgeber attraktive „Exit“ über Börsengang oder privaten Anteilsverkauf ist auf Jahre verschlossen. Staatliche Hilfe täte deshalb bitter Not.

Langfristig sinnvoll wäre eine massive Innovationsförderung allemal. In den kommenden Jahrzehnten steht ein grundlegender Wandel in mehreren Schlüsseltechnologien an – etwa in der Energietechnik, dem Transport, der Kommunikationstechnik und der Medizin. Um diese Transformation in einer Spitzenposition voranzutreiben, braucht die deutsche Forschung massive staatliche Unterstützung.

Konkret bieten sich drei Sofortmaßnahmen an, um Innovationen und zugleich – auch kurzfristig – die Konjunktur zu fördern: Erstens müssen F&E-Ausgaben steuerlich begünstigt werden. Volkswirtschaftlich gesehen sind Innovationen klassisches Gemeingut, dessen positive Auswirkungen weit über denjenigen hinausgehen, der die Innovation zunächst vermarktet – vom Fortschritt profitiert die Gesellschaft. Deshalb ist nicht einzusehen, warum Neuwagen, Biokraftstoff, Fußreflexzonenmassagematten fürs Büro und Spenden an Hundezüchtervereine steuerlich begünstigt werden, F&E-Ausgaben dagegen nicht. Zudem gibt es in den meisten OECD- Staaten inzwischen steuerliche Innovationsförderung, so dass Deutschland als High-Tech-Standort ins Hintertreffen gerät.

Zweitens müssen neu gegründete Hochtechnologieunternehmen die Möglichkeit bekommen, mindestens zehn Jahre lang Gewinne mit Verlusten zu verrechnen. Dass innovative Start-ups ihre ersten Gewinne gleich an den Staat abgeben müssen, statt sie für F&E ansparen zu können, hat sich als massive Innovationsbremse erwiesen.

Drittens sollte der Bund direkt in strategische Forschungsprojekte, Forschungsbauten und wissenschaftliche Infrastruktur investieren. Das häufig angeführte Gegenargument, der Wissenschaft fehle das qualifizierte Personal, um kurzfristige Konjunkturimpulse zu nutzen, greift zu kurz: Investitionen in Gebäude, Geräte und Infrastruktur wirken unmittelbar konjunkturfördernd und ziehen dann Forschungspersonal aus dem Ausland an – die USA haben uns das jahrzehntelang vorgeführt.

Übrigens wurde auch der Forschungsboom in den USA aus der Krise geboren: Franklin D. Roosevelts „New Deal“, die Antwort auf die Große Depression der 1930er Jahre, beinhaltete auch eine Verdreifachung der Forschungsbudgets – damals wurden die Grundlagen für die jahrzehntelange Technologieführerschaft der USA gelegt. Auch in Japan entstanden die erfolgreichen Innovationsprogramme als Reaktion auf die Wirtschaftskrise der 1990er Jahre.

In Deutschland käme ein massives Innovationsprogramm insbesondere der Autoindustrie zugute. Fördermittel zur Entwicklung neuer Technologien könnten auch dem notleidenden Opel-Konzern helfen, ohne durch Staatshilfen den Markt zu verzerren. Investitionen für Innovationen sind das nachhaltigste Heilmittel gegen die Seuche Rezession. Alles andere ist bestenfalls Placebo.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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