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Meinung: Waschmaschine der Geschichte

Von Clemens Wergin

Allen Beteiligten muss klar gewesen sein, dass die Ansiedlung der Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick in Berlin nicht reibungslos über die Bühne gehen würde. Dazu ist der Name Flick zu belastet, schließlich war Friedrich Christians Großvater, Friedrich Flick, einer der maßgeblichen Industriellen des NSRegimes. Er hat Hitlers politische Karriere früh gefördert und ein Firmenvermögen in die Nachkriegszeit gerettet, das auch durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern angehäuft worden war. Die jetzt neu auflebende Debatte zeigt, dass noch nicht alles gesagt war nach dem Überraschungscoup vom Januar 2003. Und dass ein gewisses Unbehagen bleibt über die Vereinbarung zwischen Flick und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Was allerdings überrascht, ist die Vehemenz, mit der die Auseinandersetzung nun nachgeholt wird. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, spricht von „Blutgeld“, mit dem die Flick-Collection aufgebaut wurde. Sein Vorwurf: Indem der Staat einen Ausstellungsort zur Verfügung stelle, betätige er sich als Geschichtswaschmaschine, in der das nazibefleckte, ererbte Flick-Vermögen einer „moralischen Weißwäsche“ unterzogen würde. Korn moniert vor allem, dass der Kunstsammler sich nicht am Zwangsarbeiterfonds beteiligt hat. Dazu war er aber auch nicht verpflichtet, schließlich haben Firmen aus dem ehemaligen Flick-Imperium eingezahlt. Warum Flick sich als einziger Privatmann ebenfalls hätte beteiligen sollen, bleibt unklar. Man kann Korns Zorn darüber verstehen, dass sich hier einer den Lorbeerkranz des Mäzenatentums aufsetzen lässt, dessen ererbtes Geld aus anrüchigen Quellen stammt. Nur: Wenn ein solches Vermögen juristisch nicht zurückgefordert werden kann, dann ist es besser, es wird für einen guten Zweck eingesetzt, als dass es Kinder und Enkel von NS-Profiteuren im Stillen verprassen. Salomon Korn hat sich also den Falschen vorgenommen. Er schlägt Flick stellvertretend für die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft. Die hat jahrzehntelang nichts getan, um mit verbrecherischen Methoden erworbene Vermögen denen zugute kommen zu lassen, die dafür schuften mussten. Das kann aber nicht heißen, dass der Name Flick wie ein Fluch auf jedem Familiemitglied liegt. Denn, wie Salomon Korn in einem offenen Brief ja selbst schreibt: Es gibt „weder Kollektivschuld noch Sippenhaft“. Mit seinen manchmal persönlichen Anwürfen schadet Korn aber einem berechtigten Anliegen: dass die Herkunft des Vermögens, das zum Teil in die Flick-Collection floss, in der Berliner Ausstellung angemessen thematisiert wird.

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