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Meinung: Welches Gesetz hätten’s denn gern?

In der Wirtschaftspolitik redet Rot-Grün im Moment nur jedem nach dem Mund

Jetzt also Lohnerhöhungen für alle. Als sei über das Pfingstwochenende die Erleuchtung über die Sozialdemokratie gekommen, fordern SPD-Politiker wie der SPD-Finanzexperte und Fraktionsvize Joachim Poß angesichts der prima Quartalsbilanzen der deutschen Firmen nun eine satte Lohnrunde. Damit die Binnenkonjunktur in Gang kommt. Auch der Kanzler scheint von dem neuen Geist der Kapitalismuskritik angeweht: Er will Hedge-Fonds stärker kontrollieren, die die Deutschland AG zerfleddern wollen.

Justizministerin Brigitte Zypries schließt sich an und wird dem Kabinett an diesem Mittwoch vorschlagen, die Manager per Gesetz zur Offenlegung ihrer Gehälter zu zwingen. Der SPD-Linke Otmar Schreiner orakelt fröhlich herum, dass womöglich eine neue wirtschaftspolitische Zeit in der SPD anbrechen könnte. Und Verbraucherschutzministerin Renate Künast von den Grünen schließlich ist ebenfalls zu neuen Erkenntnissen gereift: Sie will verhindern, dass Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern und die Aufwendungen dafür auch noch von der Steuer absetzen können.

Über all diese Fragen, Ansichten, Einwürfe und Erwartungen ist ein heftiger Streit in der Koalition ausgebrochen, für den es nur ein Etikett gibt: die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai. Und die Angst, dass man sie verliert. Denn wer versucht, darin einen tieferen Sinn, eine Idee, gar einen neuen Politikentwurf zu entdecken, dem wird schwindelig.

Es gibt ihn nicht. Es gibt nur so ein Gefühl. Das Gefühl, dass es in diesem Mai vielleicht gut ankommen könnte beim Wähler, wenn man eine eigene kapitalismuskritische Idee findet – oder irgendetwas, was dafür herhalten kann. Ob mit oder ohne Substanz, spielt dabei nicht die entscheidende Rolle. Was davon den 22. Mai überleben wird, ist vor dem 22. Mai auch nicht so wichtig.

Doch bevor sich die deutsche Arbeiterschaft auf handfeste politische Unterstützung für eine ordentliche Lohnrunde vorbereitet, sollte sie schon noch einmal genauer hingucken. So entstammt ein großer Teil der Unternehmensgewinne des ersten Quartals ausschließlich aus veränderten Bilanzierungs- und Abschreibungsregeln. Darauf die Argumentation für eine üppige Lohnrunde aufzubauen, ist ein bisschen windig. Ausgerechnet in der Chemiebranche aber, wo tatsächlich sehr gut verdient worden ist, fordert der Gewerkschaftschef von der Politik nicht etwa Unterstützung bei der Tarifpolitik, sondern: Ehrlichkeit. Das sollten sich die Genossen hinter die Ohren schreiben.

Auch auf die Idee, Arbeitsplatzverlagerern Steuervorteile wegzunehmen, sollte sich lieber niemand verlassen, der jetzt Angst um seine Stelle hat. Denn die Frage, welche Auslandsinvestition unter dem Strich Jobs im Inland kostet und welche Arbeitsplätze sichert, kann die Verbraucherministerin auch nicht beantworten.

Hedge-Fonds und Manager zu Transparenz zwingen? Das ist eine gute Idee. Weil diese Ideen aber unabhängig von den Nordrhein-Westfalenwahlen gut sind, gibt es sie auch schon länger. Sie haben auch nichts mit Kapitalismuskritik zu tun, sondern mit dem Grundsatz, der eine Marktwirtschaft erst dauerhaft erfolgreich macht: mit Ehrlichkeit und Transparenz. Das aber gilt auch für das Projekt Rot-Grün. Vor dem 22. Mai und nach dem 22. Mai.

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