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Welt-Aids-Gipfel: Gefeilsche um bitter benötigte Medikamente

Das Geld war das beherrschende Thema der Welt-Aids-Konferenz. Dabei kostet ein kleines Wunder rund 500 Euro im Jahr.

Billiger ist ein Wunder kaum zu haben. Wer schon einmal einen schwer an Aids erkrankten Menschen vor und nach Beginn einer Therapie gesehen hat, den lassen die Bilder so schnell nicht wieder los. Ausgezehrte Menschen, die sich zum Sterben in ein Krankenhausbett zurückgezogen haben, können nach wenigen Wochen wieder laufen, arbeiten, lachen. Den „Lazarus-Effekt“ nennen das Ärzte in Entwicklungsländern. Das kleine Wunder kostet heute etwa 500 Dollar im Jahr.

Aber bei Millionen HIV-Infizierten weltweit summiert sich das schnell. Und so war Geld das beherrschende Thema der Welt-Aids-Konferenz, die gestern in Wien zu Ende gegangen ist. Deutschland hat dort keine gute Figur gemacht. Weil sich die Zeichen mehren, dass die Bundesregierung ihren Beitrag zum globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose von zuletzt 200 Millionen Euro im Jahr drastisch kürzen will. Man äußere sich nicht dazu, heißt es aus dem Entwicklungshilfeministerium. Dementieren will man es auch nicht.

Im Grunde geht es um Schulden. Wie bekommt Deutschland seinen Schuldenberg in den Griff? Das steht auf der einen Seite. Und auf der anderen: Was schulden wir Menschen, die nicht das Glück haben, in einem Land der ersten Welt geboren zu werden?

Der Fonds wurde 2001 auch als Versprechen an die Entwicklungsländer gegründet. Wer Aids-Medikamente benötigt, der soll sie auch bekommen. Das ist das erklärte Ziel von G 8 und UN. Der Fonds ist dafür ein Finanzierungsinstrument, von Regierungen und privaten Spendern mit Milliarden ausgestattet. Bezahlt wird, was Erfolg hat. Inzwischen versorgt er 2,8 Millionen Menschen mit den bitter benötigten Medikamenten.

Die Pillen verlängern nicht nur das Leben. Sie senken auch die Zahl der Viren im Körper so weit, dass Menschen, die auf die Medikamente gut ansprechen, nicht mehr infektiös sind. Immer mehr Wissenschaftler fordern deshalb, die Medikamente so früh wie möglich zu geben, um die Ausbreitung von HIV zu stoppen.

Dabei geht es nicht nur um Mitgefühl. Mag sein, dass wir unsere Sicherheit heute am Hindukusch verteidigen. Unsere Gesundheit müssen wir uns in jedem Fall global erstreiten. Krankheitserreger kennen keine Grenzen. Die Pocken sind heute nur deshalb besiegt, weil sie auf der ganzen Welt bekämpft wurden. Und was sich in Osteuropa zusammenbraut, mit rasant steigenden HIV-Infektionsraten könnte sich zu einem perfekten Sturm entwickeln. Denn wer Aids hat, der hat auch ein hohes Risiko, an Tuberkulose zu erkranken – und immer häufiger an extrem resistenten Formen, bei denen es kaum eine Chance auf Heilung gibt.

Natürlich gibt es zahlreiche andere Baustellen: Die Stigmatisierung HIV-positiver Menschen muss bekämpft werden. Es muss mehr Geld in die Erforschung neuer Medikamente investiert werden. Frauenrechte müssen gestärkt werden. Aber wer hier und jetzt helfen will, der muss dafür sorgen, dass schwerkranke Menschen behandelt werden.

Im Oktober wird in New York entschieden, wer dem Fonds in den nächsten Jahren wie viel Geld zur Verfügung stellt. Würde Deutschland als drittgrößter Geldgeber seinen Beitrag kürzen, wäre das ein fatales Signal. Es ist gut, dass wir in Deutschland über Schulden diskutieren und darüber, was wir uns noch leisten können. Eines aber können wir uns mit Sicherheit nicht leisten: den Kampf gegen Aids zu schwächen. Sonst laden wir eine ganz andere Schuld auf uns.

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