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Weltkulturerbe: Deutschland ist das Gespött der Welt

Jahrelang hat die Unesco versucht, das Dresdner Elbtal vor der Zerstörung zu bewahren. Jetzt musste sie den Welterbetitel aberkennen. Ein Kommentar

Am Ende, als das Ansehen der Nation schon verspielt war, haben die Deutschen doch noch Flagge gezeigt. Mehrere Emissäre der Bundesregierung flogen nach Sevilla, um bei der Unesco gut Wetter zu machen. Während das Welterbekomitee abschließend tagte, sollte es überredet werden, die deutsche Bauwut milde zu beurteilen und für das irrsinnigste Brückenprojekt der letzten hundert Jahre Pardon zu geben.

Zum Glück sind die Welterbeschützer hart geblieben Nachdem sie jahrelang letzte Ultimaten gestellt und der Stadt Dresden immer wieder die Chance gegeben hatten, die bauliche Verschandelung ihrer Elbauen zu überdenken, fällten sie nun die einzig konsequente Entscheidung:  Dresden verliert seinen Welterbetitel. Das ist ein Verlust nicht nur für die sandsteinschöne Kurfürstenresidenz Augusts des Starken, nicht nur für Sachsen, nicht nur für Deutschland, sondern für die Welt.
 
"Die Liebe zu Dresden reicht immer noch über Dresden hinaus" hat einmal der sächsische Dichter Thomas Rosenlöcher in einer Polemik gegen die Verschandelung der Restbarockstadt vermerkt. Die internationale Dresdenliebe, die auch in New York anzutreffen ist und in unserem Fall von der Unesco verkörpert wird, gilt den Kulturleistungen der Menschheit. Diese Liebe meint die menschliche Fähigkeit, etwas dauerhaft Schönes zu erschaffen, im Gegensatz zu der Fähigkeit zu zerstören, wie in der Geschichte hinlänglich bezeugt.

Das schöne Alte aber, das zu schützen die Völkergemeinschaft beschlossen hat, soll kein Rückzugsort für Nostalgiker, sondern ein Beispiel für die Zukunft sein. Der Welterbetitel ist als Ansporn für die Heutigen gedacht, ihre Altvorderen zu übertreffen an Kunstsinn, Kreativität, Menschenfreundlichkeit.
 
Dem hat sich die Dresdner Stadtverwaltung hartnäckig verweigert. Alles begann damit, dass eine unnütze Elbquerung an der schönsten Stelle der Elbauen per Bürgerentscheid durchgesetzt wurde. Man hatte der Bevölkerung versprochen, Staus zu beseitigen, wo kaum Staus sind. Man hatte ihr Beschleunigung versprochen, wo der Autoverkehr sowieso nicht wird abfließen können. Man übertrat alle Gebote einer vernünftigen Stadtplanung und eines schlichten Umweltschutzes, man verschwieg die absehbaren Folgeprobleme eines millionenteuren Brückenungetüms (innerstädtische Lärmbelastung, neue Staus) und unterschlug kostengünstige Tunnelalternativen (die zwar verkehrsplanerisch auch Humbug, aber ästhetisch weniger zerstörerisch gewesen wären).
 
Mit einem Wort: Die Bürger wurden systematisch belogen und die warnenden Worte der Unesco wurden gründlich missachtet. Selbstherrlich forcierten die Provinzpolitiker des Freistaates den Brückenbau nach dem Motto: Bei uns zuhause bestimmen wir. Feige schwiegen die Parteikonsenswahrer der Bundesregierung zu der Verletzung eines internationalen Abkommens.

Mit der Bewerbung um den Welterbetitel Dresdner Elbtal und seiner schließlichen Annahme war die Bundesregierung immerhin eine Verpflichtung zur Erbepflege eingegangen. Dass sie die Aberkennung des Titels billigend in Kauf nahm, beweist nicht nur Mangel an Kulturbewusstsein, sondern auch: Ehrverlust gilt heute nicht mehr als Verlust.
 
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bedauerte umgehend die Unesco-Entscheidung. Wie heuchlerisch sein Bedauern ist, offenbarte er jedoch durch den geflissentlichen Hinweis, der Bund habe laut Grundgesetz keinen direkten Einfluss auf das Brückenprojekt nehmen dürfen. Doch wer hinderte den Bund eigentlich an indirekter Einflussnahme, etwa an dringenden Appellen? Warum hat Neumann nicht auf der Ebene der Symbolpolitik interveniert? Weil es nicht mehr des Amtes eines Kulturministers ist, die Kultur zu verteidigen? Weil er das lieber der Unesco überlässt? Oder weil er wirklich hoffte, die Unesco würde befinden, dass eine monströse stadtlandschaftszerstörende Brücke und ein Welterbetitel zusammenpassen?
 
Die Dresdner Bürgermeisterin hatte in letzter Minute die Unesco angefleht, doch mit ihrer Entscheidung bis zur Fertigstellung der Brücke zu warten. – Als wäre die Baustelle der Schande auf Dresdens Waldschlösschenwiese nicht Argument genug gegen die Waldschlösschenbrücke.
 
Wer ein Kulturerbe mutwillig zerstört, muss bestraft werden. Deshalb hat die Unesco richtig entschieden. Drei Stunden konferierte man in Sevilla über diese wegweisende Entscheidung, obwohl nur dreißig Minuten für jedes Welterbe vorgesehen sind. Und jetzt? Als Dresdenliebhaber und Welterbeschützer müsste man triumphieren. Achim Weber von der Grünen Liga in Dresden jedoch findet den Fall zu ernst. "Ich will nicht triumphieren. Denn dieser öffentliche Skandal wäre zu verhindern gewesen", sagte er am Donnerstagnachmittag. "Die Unesco hat auch beschlossen, dass Dresden sich um eine Wiederzuerkennung des Titels bewerben darf, wenn die Brücke nicht vollendet und eine Tunnelalternative gebaut wird. Dafür kämpfen wir jetzt erst recht."
 
Das klingt illusorisch. Denn der Weg scheint nun frei für die sächsischen Baulöwen. Aber so einfach ist es nicht. Denn beim sächsischen Oberverwaltungsgericht sind noch mehrere Klagen der Grünen Liga anhängig, die sich auf den umweltzerstörerischen Aspekt des Bauvorhabens beziehen. Obwohl das Verfahren noch läuft, baut die Stadt Dresden jedoch unbeirrt und auf eigenes Risiko. Wenn das OVG im Herbst der Grünen Liga Recht gibt, muss zurückgebaut werden.
 
Es ist traurig, dass in dieser Republik die Gerichte zu letzten Instanzen des Natur- und Kulturschutzes geworden sind. Wo kein Kulturminister, keine Kanzlerin sich zuständig fühlen, sollen nun Richter in die Bresche springen und der Vernunft zu ihrem Recht verhelfen. Armes Deutschland. Armes Dresden. Ihr habt Euch den Spott der Welt redlich verdient.

ZEIT ONLINE

Evelyn Finger

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