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Meinung: Weltpolitik: Ihr Drückeberger da drüben

Versuchen wir einmal zu ordnen. Beim Klima, nach Kyoto und nach Bonn, steht Europa gestärkt da.

Versuchen wir einmal zu ordnen. Beim Klima, nach Kyoto und nach Bonn, steht Europa gestärkt da. Die Alte Welt hat auf drastische Weise bewiesen, dass der Globus auch ohne, fast gegen die USA vorankommen kann. Müssen Europäer und Amerikaner nun Geheimtreffen in Oslo oder anderen Friedensnestern anberaumen, um nach vertrauensbildenden Maßnahmen zu forschen?

George W. Bush fängt mit dem Kitten an. Ein Doppel-Verdacht, den er seit seinem Amtsantritt mit sich herum zu schleppen hatte, schwindet. Amerika bleibt auf dem Balkan. Und hat erreicht, dass Russland den ABM-Vertrag jetzt als verhandelbar und die Raketenabwehr nicht zwangsläufig als gefährlich ansieht: ein Abrüstungspotenzial, kein Schalter zum Anknipsen einer neuen Rüstungsspirale. Dies dämpft Europas Ärger über Bushs brachialen Stil.

Sommerzeit ist Zeugniszeit: Wo überall bekommt der dickste Junge in der Klasse, der mit dem Sternenbanner, ein "Ungenügend" eingetragen? Kyoto ist schließlich nicht die einzige internationale Abmachung, die die Amerikaner höchst zögerlich begleiten oder rundweg ablehnen. Dieselbe "Ohne uns"-Haltung gilt für den Internationalen Strafgerichtshof, für den Atomteststopp-Vertrag, für das Minen-, Bio- und Kleinwaffenverbot. Es bleibt also auch weiterhin reichlich Ärger übrig.

Doch auch Europa hat seine Defizite. Neben oder unter den Amerikanern für Frieden in Nahost sorgen zu können, diese Hoffnung hat getrogen. Für die Weltwirtschaft will Euro-Land nicht die Lokomotiv-Funktion übernehmen, die Washington, Tokio und viele andere von ihm erwarten. Ein dritter Punkt, auf den gerade Jeff Gedmin vom "American Enterprise Institute" hingewiesen hat: In Asien, wohin sich viele amerikanische Blicke richten, kümmert sich Europa kaum um das, was die USA als Risiken erster Güte betrachten, ob das Verhältnis der beiden Koreas oder der beiden Chinas zueinander oder jenes zwischen den Nuklearmächten Pakistan und Indien.

Dies sind nur drei Beispiele für das, was Europa fehlt. Weltpolitik nämlich. Dazu fehlen die Institutionen und der Wille. Agrar-, Handels- und Haushaltspolitik mag der EU gelingen. Eine Außenpolitik, die Machtinstrumente einsetzt, gelingt am wenigsten, und bestenfalls im eigenen Hinterhof namens Balkan. In nichts haben die Amerikaner dagegen mehr Übung als im Demonstrieren von Macht. Dafür lehnen sie es strikt ab, sich in ihre innenpolitischen Fragen hineinregieren zu lassen.

So entwickelt sich gerade eine kuriose Arbeitsteilung. Die USA machen militärisch-strategische Weltpolitik, die Europäer multilaterale Verträge. Die EU spannt Netze für den Frieden und ordnet sich selbst ein; die Amerikaner reparieren Risse, wenn es kracht, und gehen heim.

Ist das nun gesund? Über den Atlantik hinweg wird gern gerügt, der eine oder andere drücke sich. Washington beim Klima, Berlin in Ostasien oder im Irak. Die Klagen verweisen auf eine gemeinsame Versuchung, nämlich die des Innenblicks. Euro und Osterweiterung für die Europäer, Mexiko und der panamerikanische Freihandel für die USA: Die großen Zukunftsprojekte legen nahe, dass der Hang zur Nabelschau sich verstärken wird.

Was bleibt? Weltpolitik nur aus Notwendigkeit. Was notwendig ist, dies definieren Europäer und Amerikaner indes sehr unterschiedlich.

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