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Meinung: Wenn Schurken von Schurken lernen

Nordkorea spitzt den Konflikt mit den USA zu – weil Saddam damit gute Erfahrungen gemacht hat

Von Schurken zu lernen und sich weltöffentlichkeitswirksam in die Schusslinie zu bringen, ist auch eine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. In diesem Fall ist es Nordkorea, das zum Irak hinüber schielt. Die Diktatur, die von Präsident George W. Bush vor einiger Zeit zur „Achse des Bösen“ gerechnet wurde, will jetzt zeigen, dass sie wirklich böse ist. In einem Augenblick, in dem die USA sich möglicherweise vor einem Krieg gegen den Irak befinden, nutzt Kim Jong-Il die Gunst der Stunde. Jetzt, da er gewiss sein kann, dass Bush keinesfalls an zwei Fronten kämpfen will, drängt Kim darauf, dass man ihn und sein Land ernst nehmen, als eine Größe anerkennen soll, die zu einer Bedrohung für den Rest der Welt werden könnte, sollten die Amerikaner sie nicht gebührend behandeln.

Nordkorea hat jüngst zugegeben, sein Atomprogramm nicht – wie im Rahmenabkommen mit den USA 1994 vereinbart – gestoppt zu haben. Das war nicht geplant, nicht freiwillig. Washington hatte Beweise vorgelegt, die Pjöngjang zu diesem Schritt zwangen. Das Eingeständnis war der Anlass, die Flucht nach vorn anzutreten. Und das gleich mehrfach: zuerst schleuderte Nordkorea Staaten wie Südkorea, Japan und Russland ein kategorisches Nein entgegen, als die den sofortigen Stopp des Atomwaffenprogramms forderten. Dann unterstellte Kim Jong-Il den Amerikanern, sie seien es gewesen, die den Vertrag von 1994 gebrochen hätten. Die USA hätten den vereinbarten Bau zweier Leichtwasserreaktoren verzögert, die Öllieferungen eingestellt und Nordkorea als Teil der „Achse des Bösen“ bedroht und so dem Abkommen zuwider gehandelt. Viel deutlicher noch wird das Auftrumpfen Pjöngjangs, wenn es nun einen Nichtangriffspakt mit Washington und eine Neuauflage des Rahmenvertrags von 1994 fordert.

Dass Bush sich auf ein solches Schachern nicht einlassen würde, dürfte Kim Jong-Il klar gewesen sein. Der amerikanische Präsident müsste befürchten, die Glaubwürdigkeit und Autorität Amerikas zu gefährden. Außerdem weiß Kim, dass ein Angriff auf Nordkorea für die Amerikaner sowieso nicht in Frage käme. Bliebe doch in dem Fall mindestens die Gefahr für Südkorea zu groß. Bei einem amerikanischen Militärschlag befände sich Südkorea in Geiselhaft des Nachbarn. Binnen weniger Minuten würden so viele Raketen auf Seoul niedergehen, dass die Verluste für die USA nicht mehr zu rechtfertigen wären.

Das unterscheidet Nordkorea vom Irak. Kim Jong-Il übt sich also auch deshalb im „Irak-Spielen“, weil er weiß, dass ihm nicht das gleiche Schicksal droht. Und weil er hofft, auf sicheren Pfaden doch zum eigentlichen, außenpolitischen Ziel zu gelangen: das Verhältnis zu den USA zu normalisieren – für eine Garantie auf Sicherheit. Ein perfider Weg, der dann bedrohlich wird, wenn Kim Jong-Il ihn bis zum Ende geht. Schlimmer noch: wenn er Weggefährten findet.

Deshalb müssen die USA rechtzeitig etwas tun und dürfen sich nicht mit Strafen wie dem Stopp der Öllieferungen aus der Affäre ziehen. Sie sollten den Wunsch der Nordkoreaner aufgreifen, einen neuen Vertrag zu schließen, auch wenn das ein diplomatisches Zugeständnis wäre. Sie sollten die Regeln neu definieren und die Grenzen erneut unmissverständlich abstecken.

Denn, wenn ein Schurke vom anderen lernt, mag das noch verkraftbar sein. Es sollte nur nicht zur Mode werden.

Stephanie Nannen

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