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Meinung: Wenn zwei sich ändern

DIE TÜRKEI UND EUROPA

Valéry Giscard d’Estaing hätte es besser wissen müssen. Eine EUMitgliedschaft der Türkei wäre das Ende der Europäischen Union, hat der Präsident des europäischen Verfassungskonvents in einem Interview gesagt. Das ist aus zweierlei Gründen falsch. Erstens, weil es suggeriert, die Türkei würde so, wie sie heute ist, der EU beitreten können. Zweitens hat Giscard d’Estaing entweder seinen eigenen Verfassungsentwurf nicht gelesen – oder er setzt zu wenig Vertrauen darin. Die meisten Europäer sind sich darin einig, dass die Türkei im Moment und in naher Zukunft noch nicht beitrittsfähig ist. Bis das Land in seiner politischen Kultur und seinem Staatsverständnis kompatibel geworden ist mit Europa, werden noch einige Jahre vergehen. Bis dahin wird sich auch die EU gewandelt haben. Sie wird, wenn Giscard d’Estaings Verfassungsvorschlag sich durchsetzt, zu einem offeneren System als bisher. Einmal aufgenommen und auf ewig im Club bleiben – das wird dann nicht mehr gelten. Wenn ein Staat sich nach der Aufnahme wieder zurückentwickelt und demokratische Spielregeln missachtet, kann er von den anderen ausgeschlossen werden. Weil in der neuen EU die Mitgliedschaft ihre Endgültigkeit verliert, wird auch das Thema Türkei in Zukunft vielleicht mit mehr Gelassenheit diskutiert werden können. Giscard d’Estaing hätte sich das kategorische „niemals“ also besser gespart. Weiter auf dem Weg zueinander kommen Europa und die Türkei nur, wenn beide sich weiter entwickeln. clw

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