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Meinung: Wer agiert, und wer steuert?

Die Demokratie zahlt Lehrgeld mit dem Einsatz von V-Leuten

Von Gerhard Mauz

RECHTSWEGE

Amerikas Präsident George W. Bush und sein Justizminister John Ashcroft haben ein gewaltiges Projekt. „Homeland Security Bill“ heißt die Schlinge, die sie gewissen demokratischen Regeln um den Hals werfen und fest zuziehen möchten. Schließlich geht es um den Terror, und da darf man nicht zimperlich sein. Die innere Sicherheit verlange das. Die „New York Times“ nennt das Unternehmen das bislang ehrgeizigste Unternehmen, die amerikanische Gesellschaft zu verändern. Was jeder Frau und jedem Mann verdächtig erscheint, soll rund um die Uhr einer zentralen Telefonstelle gemeldet werden. Ein ganzes Volk von verdeckten Ermittlern.

Für die Bundesrepublik ist diese Entwicklung von einigem Interesse, gerade auch wegen des NPD-Verbotsverfahrens. In der NPD sitzen V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Nicht grundlos spricht die „Frankfurter Allgemeine" von der „V-Mann-Falle", die zuschnappen und das Verbot verhindern könnte.

Jörg Schönbohm, der Innenminister von Brandenburg, hat in löblicher Offenheit dieser Zeitung gegenüber gesagt: „Wenn man nur mit V-Leuten zusammenarbeitet, die sich ganz brav verhalten, wird man die rechte Szene nicht aufklären können." Doch Barbara Richstein, die neue Justizministerin von Brandenburg, hat auf die Frage, ob sie den V-Mann-Einsatz generell für problematisch halte, geantwortet: „Wenn man steuernd agiert, ja. Das Thema wird ja deshalb auch diskutiert."

Waren V-Leute in den Vorständen der NPD an Überlegungen oder Entscheidungen beteiligt, die den Verbotsantrag gegen die Partei fördern? Womöglich so sehr, dass die Partei quasi vom Verfassungsschutz geführt wurde? „Wie die beträchtliche Zahl von V-Leuten in den höheren Rängen zeigt, ist die Partei gut im Griff der Exekutive", stellt der Extremismusforscher Eckhard Jesse in der „Welt" fest. Und kommt zu einem Ergebnis, das ein grelles Licht auf den Einsatz von V-Frau und V-Mann wirft: „Wie immer das Verfahren ausgeht: Schon jetzt steht fest, dass die Konzeption der streitbaren Demokratie Schaden erlitten hat und der Verbotsantrag ein Fehler war. Das dürften im Stillen mittlerweile auch die Initiatoren eingesehen haben. Wenn das ohnehin verfahrene Verfahren scheitert, ist dies kein Freibrief für eine Partei, die wahrlich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Sie wird geächtet bleiben. Aber die demokratischen Parteien haben Lehrgeld bezahlt.“

Es ist nicht nötig, dass aus der Bundesrepublik ein „Spitzel-Staat" wird. Es sollte nur der Einsatz von V-Frauen und V-Männern gründlicher überlegt werden. Es darf, die Ministerin hat es ausgezeichnet ausgedrückt, nicht „steuernd agiert" werden.

Amerika hat es – jedenfalls diesmal – nicht besser. Die Bundesrepublik braucht kein Nachbarschafts-Wachprogramm. Sie muss sich nur des Risikos beim Einsatz von V-Leuten bewusst werden und bewusst bleiben. Nicht weniger als 30 V-Leute sind nach den Angaben von Bund und Ländern in den Vorständen der NPD im Einsatz. Man muss begreifen, dass man Lehrgeld gezahlt hat.

Der Verdacht, dass man Brandstifter eingeschleust hat, damit es endlich zu dem erwünschten Brand kommt, darf nicht entstehen. Die NPD jedenfalls schnurrt vor Vergnügen. Innenminister Schönbohm hat auch gesagt: „Wir werden erneut die Kriterien erörtern, wie weit ein V-Mann gehen darf, wann er abgeschaltet werden muss." Und er hat daran festgehalten, dass man ohne V-Leute „die Bekämpfung des Rechtsextremismus einstellen" könne.

Gerhard Mauz ist Autor des „Spiegel“. Foto: Dirk Reinartz

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