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Meinung: Wie blind

„Billy aus Bautzen“ vom 27. November Dieser Artikel kann nicht unwidersprochen bleiben.

„Billy aus Bautzen“ vom 27. November

Dieser Artikel kann nicht unwidersprochen bleiben. Zwar schreibt Richard Schröder: „Skandalös waren die Haftbedingungen und die Umstände der Zwangsarbeit“, aber ansonsten sind seine Gedankengänge wie die eines Blinden über die Farbe.

Schon das Wort „Zwangsarbeit“ müsste differenziert und vorsichtiger gebraucht werden. Gefangene, die hungernd in den Zellen oder im Saal saßen, freuten sich oft über eine Möglichkeit, eine Arbeit zu bekommen, die sie aus der Enge und der Langeweile für Stunden befreite. Ich war 1954/55 in Waldheim im Kommando „Kartonagen“ beschäftigt. Wir klebten Parfümkartons für den VEB Rosodont/Waldheim am Fließband, in Sommerhitze auf einem Dachboden. Der Tageslohn betrug 20 bis 40 Pfennige. Dafür konnten dann Zigaretten gekauft werden. Nichtarbeiter durften nicht rauchen. Ich erstand meist etwas Margarine. Es gab auch im freien Handel kaum verkäufliche russische Fischkonserven.

Die Entschädigung für die vielen erlittenen Haftjahre ist bisher nicht annähernd angemessen geregelt. Eine sogenannte Opferrente von 250 Euro gibt es jetzt pauschal für alle, die länger als sechs Monate inhaftiert waren. Versuchte Republikflucht zählt so wie langjährige Zuchthausstrafen für ernsthafte politische Gegner.

Das Medientheater um Ikea ist einfach lächerlich, solange nicht eine generelle gesetzliche Regelung erfolgt, die annähernd versucht, ausgleichend und gerecht zu wirken, ehe noch der letzte Häftling gestorben ist.

Lothar Fischer M.A.,

Berlin-Charlottenburg

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