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Meinung: Wir können auch anders

Masse und Klasse: Bulmahns Forschungsbericht beschönigt die Lage der Wissenschaft

Die Bundesregierung setzt auf einen klaren Innovationskurs“ – mit dieser Fanfare wird der Bundesbericht zur Forschung intoniert. Stolz wies Forschungsministerin Edelgard Bulmahn darauf hin, dass Deutschland eine starke Position auf den internationalen Technologiemärkten habe und das Forschungssystem eine hohe Leistungsfähigkeit besitze. Und die Ministerin hofft, dass nach einer Etatkürzung für dieses Jahr 2005 sogar wieder mehr Geld für ihren Haushalt zur Verfügung stehen wird. Ein positives Zeichen also – aber genügt es? Wie steht es um Forschung und Technik „Made in Germany“?

Positiv ist zunächst, dass die Bundesregierung das Thema Bildung und Wissenschaft als wichtig erkannt hat. Viele Jahre war das nicht so, das Bekenntnis zur „Wissensgesellschaft“ war schnell gesprochen und kostete nichts. Als die wirtschaftliche Lage immer kritischer wurde und die Pisa-Studie das Land im geistigen Mittelmaß verortete, begann das Nachdenken – sogar über so unpopuläre Maßnahmen wie Studiengebühren und Elitehochschulen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement forderte gar, den Sparerfreibetrag zu streichen und die Milliarden in Forschung und Bildung zu investieren. Eine mutige Idee, denn sie könnte Wählerstimmen kosten. Auch wenn der Plan wohl keine Zukunft hat, so zeigt er doch: den Verantwortlichen ist es ernst mit der „Innovation“.

Das Problem ist nur: Es muss noch viel mehr geschehen, damit Deutschland im internationalen Wettbewerb um die besten Ideen, Köpfe und Produkte bestehen kann. Forschungsministerin Edelgard Bulmahn legt Wert darauf, dass der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt von 2,3 Prozent (1998) auf jetzt 2,5 Prozent gewachsen ist. 2010 sollen es sogar drei Prozent sein. So will es zumindest die EU-Kommission, die den lahmenden Kontinent an die Zugpferde USA und Japan ankoppeln will.

Aber die Dreiprozentquote dürfte ein Traum bleiben, zumindest für Deutschland. Denn die Ausgaben von Bund und Ländern für Forschung und Entwicklung sind in den letzten zehn Jahren allenfalls um ein paar Prozentpunkte gestiegen, in Berlin und Brandenburg sinken sie sogar. Das alles reicht bei weitem nicht. Deutlich gewachsen ist immerhin das Engagement der Wirtschaft. Sie hat erkannt, wie wichtig Investitionen in die Wissenschaft sind.

Es hapert aber nicht nur bei der Masse, sondern auch bei der Klasse. Denn nimmt man die Autoindustrie aus der Produktpalette der deutschen Spitzentechnologie heraus, so sieht es mit der starken deutschen Position bei forschungsintensiven Produkten nicht mehr so gut aus. Und natürlich liest es sich schön, wenn im Bundesbericht davon die Rede ist, dass Deutschland mit seinen Veröffentlichungen in international renommierten Zeitschriften auf Platz drei liegt. Allein, es fällt schwer, an diese hervorragende Rolle zu glauben. Eine von der Universität Schanghai aufgestellte Rangfolge der 500 besten Hochschulen hat unerbittlich klargestellt, wo deutsche Bildungsstätten heute im internationalen Wettbewerb spielen: in der zweiten Liga. Nobelpreise bekommen zwar immer noch Deutsche – aber meist forschen sie seit Jahrzehnten in den USA. Oder abseits der Uni in Einrichtungen wie den Max-Planck-Instituten, den letzten Hochburgen der Spitzenforschung in Deutschland.

Eigentlich müsste also der Ruf nach einem deutschen Harvard laut und deutlich zu vernehmen sein. Und doch zeigt die im Kleingeist versandete Debatte um Eliteuniversitäten, dass viele den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben. Aber es gibt auch ermutigende Entwicklungen. Viele Hochschulen haben trotz knapper Mittel und bürokratischer Hürden mit Reformen begonnen. Und auch der Bund hat wichtige Initiativen angestoßen und vergibt immer mehr Mittel nach Leistungskriterien. Jetzt muss sich nur noch die Gesellschaft ein bisschen bewegen und in Wissenschaft und Forschung vor allem eine Chance und nicht nur das Risiko sehen. Denn sie sind die Brücke in die Zukunft – da hat Edelgard Bulmahn völlig Recht.

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