zum Hauptinhalt

Meinung: „Wir mischen uns ein.“

Jetzt muss er von alten sozialdemokratischen Slogans Abschied nehmen. „Samstags gehört Vati mir“ stimmt einfach nicht mehr.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Jetzt muss er von alten sozialdemokratischen Slogans Abschied nehmen. „Samstags gehört Vati mir“ stimmt einfach nicht mehr. Der neue Berliner SPD-Landeschef Michael Müller hat sich dazu durchgerungen, dass bald nur noch der Sonntag der Familie gehört. Nach einer Galgenfrist von drei Wochen, dem Urlaub in Südtirol, wird sein Terminkalender überlaufen. Dann muss der 39-jährige Bezirkspolitiker aus Tempelhof, der 2001 SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus wurde, auch die Partei führen. Seit Sonntag ist er SPD-Landeschef.

Den Fraktionsvorsitz hat Müller von Klaus Wowereit geerbt, als der Regierender Bürgermeister wurde. Den Landesvorsitz hat er von Peter Strieder übernommen, der vor Ostern zurücktrat. Müller war nicht scharf auf den Posten, denn er weiß, es kann ihn zerreißen: „Das ist ein Spagat.“ Die Fraktion hat ihren eigenen Kopf, die Genossen im Berliner Senat auch – und die Partei erst recht. Dazwischen dieser jungenhafte, schlaksige Typ. Ein gelernter Kaufmann mit Realschulabschluss, der im kleinbürgerlichen Tempelhof eine Druckerei betreibt, die dem Vater gehört. Und wenn es mal nicht anders geht, nimmt er die Kinder mit ins Büro. So einen hätte man gern als Nachbarn.

Müllers politische Karriere ist typisch sozialdemokratisch: Mit 17 Jahren trat der gebürtige Berliner in die SPD ein, wurde Ortsvorsitzender, später SPD-Kreischef. Sieben Jahre war er Bezirksverordneter in Tempelhof und freundete sich damals mit dem Volksbildungsstadtrat Wowereit an. Beide kamen 1996 ins Landesparlament. Müller wurde wirtschaftspolitischer Sprecher. Ein fleißiger, beharrlich für seine Ideen kämpfender Parlamentarier. Unauffällig, uneitel, aber überraschend schlagfertig. Heikle Situationen entspannt Müller gern mit witzigen Sprüchen. Die meisten sind gut.

Weil er so ist, wie er ist, hat er in der SPD keine Feinde. Und er gehört zu den wenigen Genossen, auf die der störrische Regierungschef Wowereit hört. Ein paar Skeptiker gibt es, die nicht glauben, dass Müller durchhält. Was ihn so beliebt macht in der Partei: Er kennt die Probleme, die die Politik lösen muss, aus eigenem Erleben. Ihm tut es weh, wenn es Menschen unverschuldet schlecht geht und er spricht verständliche Sätze. Die Regierungsfraktion hat Müller gut im Griff. Der Hauptstadt-SPD, die unter der Bundespolitik und dem Sparkurs des Senats leidet, will er wieder zu kleinen Siegen verhelfen. „Die Partei soll mehr Einfluss nehmen auf die Regierung“, sagt Müller. „Wir mischen uns ein.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false