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WM-Ort Katar.

© dpa

WM in Katar: Nicht fair gehandelt

Großveranstaltungen wie Olympia und Fußball-WM nur noch nach Demokratie- und Sozialstandards zu vergeben, würde zu weit führen. Die Fifa braucht aber für ihre WM ein Fair-Trade-Siegel.

Die Wüsten-Weltmeisterschaft 2022 in Katar war erst nur ein schlechter Scherz für Fußballfans. Korruptionsvorwürfe haben aus ihr dann eine Kriminette gemacht. Doch jetzt ist ans Licht gekommen, dass 44 Arbeiter der WM-Baustellen ums Leben gekommen sind. Mit einem Spiel hat das alles nichts mehr zu tun.

Die Bedingungen für ausländische Arbeiter in Katar sind nicht erst seit Baubeginn der WM-Infrastruktur unmenschlich. Und man kann sich schon denken, was die Exekutive des Weltfußballverbands Fifa am Donnerstag nach ihrer Sitzung verkünden könnte. Großes Bedauern, natürlich. Aber auch die zynisch korrekte Formulierung, dass die ganze Welt von den Missständen doch erst durch die WM erfahre.

Die Ausbeutung ausländischer Arbeiter in Katar erscheint auch deshalb so sinnlos, weil der Golfstaat gerade im Hinblick auf die WM über die beiden entscheidenden Güter verfügt: Geld und Zeit. Katar ist eines der reichsten Länder der Welt. Und noch nie wurde eine Fußball-Weltmeisterschaft so früh im Voraus vergeben wie diese. 2010 entschied sich die Fifa für die am schlechtesten benotete Bewerbung. Es kann also nicht am Zeitdruck liegen, dass die Gastarbeiter aus Nepal, Indien und anderen Ländern so lange und so hart arbeiten müssen und dabei so mangelhaft versorgt werden.

Es geht um Verantwortlichkeit. Die Fifa behauptet, dass der Stadionbau Sache der lokalen Organisatoren sei. Sie sieht immer noch nicht das explosive Gemisch: Die WM ist ein Milliardengeschäft mit gewaltigen Investitionen, da ist es legitim, dass die Bevölkerung davon mehr haben will als ein paar Leinwände fürs Public Viewing. Die WM braucht soziale Teilhabe und ein soziales Vermächtnis. In Brasilien droht deswegen im nächsten Jahr die protestreichste WM überhaupt. In Katar müssen internationale Arbeitsorganisationen und Botschaften den Opfern eine Stimme geben, weil ausländische Beschäftigte dort wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

Schon bei der Vergabe einer WM könnte die Fifa stärker soziale Bedingungen festschreiben. Hier wirkt sie schlecht bis gar nicht beraten. Im Fall von Katar hält sie aber immer noch ein mächtiges Druckmittel in der Hand: das Turnier an sich. Es dürfte sich ein Rechtsweg finden lassen, um die WM 2022 noch einmal auszuschreiben. Und wenn es nur der Umstand ist, dass die Verlegung des Turniers wegen der Hitze in den Winter doch nicht zulässig ist. Der Verlust würde das Emirat empfindlich treffen, weil es sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, Weltsportzentrum zu werden. Sport ist für Katar politisches Mittel, Unterhaltungsinstrument für die Bevölkerung und ökonomische Vorsorge für die Zeit, in der die letzte Ölquelle versiegt sein wird.

Großveranstaltungen wie Olympia und Fußball-WM nur noch nach Demokratie- und Sozialstandards zu vergeben, würde zu weit führen, weil zum einen kein Land perfekt ist und zum anderen unterdrückte Teile der Weltbevölkerung ein weiteres Mal ausgeschlossen wären. Im Grunde steckt die Fifa in einem ähnlichen Dilemma wie der globale Konsument: Kaufe ich mir das hübsche Kleidungsstück aus Asien, obwohl ich weiß, dass es unter unwürdigen Bedingungen genäht wurde? Tröste ich mich damit, dass ich einer armen Näherin zu Arbeit verholfen habe? Die Fifa braucht für ihre WM auf jeden Fall ein Fair-Trade-Siegel.

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