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Wo sind die Alternativen?: Den fetten Brocken in Mitte nicht einfach schlucken

Das Schloss kommt, aber was soll hinein? Es ist höchste Zeit für eine öffentliche Debatte über die Alternativen zum geplanten Humboldtforum.

Als sie den Palast der Republik mit zig Millionen Steuergeldern bauten, fragten die Leute: Was soll das? Angeberei? Komödienstadel für Funktionäre? Protz- und Lampenladen? Aber dann, als es sich eingespielt hatte, kam alles anders. Das Volk ging ein und aus, amüsierte sich prächtig und schob eine ruhige Bowlingkugel, wo einst der Kaiser seine Weinflaschen gelagert hatte.

Als sie jahrelang um das Holocaust-Mahnmal stritten und manche nicht wussten, was sie mit dem Steinhaufen in der teuren Mitte der Stadt anfangen sollten, erhoffte sich und seinem Volk der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder „einen Ort, zu dem man gerne hingeht“. Und siehe: Heute gehört das Mahnmal unverzichtbar zum touristischen Programm eines jeden Berlin-Besuchers, und am Eingang zum Ort der Information über Deutschlands Schande stehen sich die Leute die Beine in den Bauch.

Eines fernen Tages wird ein Regierungschef (Angela Merkel? Peer Steinbrück?) auf dem Schlossplatz stehen, ein Band durchschneiden, die Kapelle spielt vielleicht die „Berliner Luft“ oder „Wir wollen unser’n alten Kaiser Willem wiederha’m“, wahrscheinlich aber die Nationalhymne, und dann ist es vollbracht: Das Schloss ist offen für jedermann. Wenn wir alle etwas älter geworden sind, strömen die Leute in diesen Bau. Er wird eine große Attraktion. Und schon heute darf sich der Schlosskämpfer der ersten Stunde, Wilhelm von Boddien, als Gewinner des zähen Ringens um den Wiederaufbau des protzigen Kastens im Herzen der Stadt feiern lassen. Der Anfang ist gemacht, das Ende dennoch offen.

Da ist zunächst die Sache mit dem Geld. Fast 600 Millionen Euro sind kein Pappenstiel, aber die Erfahrung mit der Finanzierung öffentlicher Bauten lehrt uns, dass immer wieder neue Begebenheiten die Kosten nach oben treiben. Im Bundestag wurde sicher nicht zum letzten Mal über eine Gehaltserhöhung für den Schlossbau abgestimmt. Dann dieses Problem mit dem Prunk und Protz im einstigen Schloss: Kommt das wieder? Schließlich arbeiten die Steinbildhauer schon lange am Fassadenschmuck und am Stuck der alten Zeit im Innern des Hauses. Wer soll das bezahlen? Wir alle natürlich – in einem reichen Land, das heute noch nicht genau weiß, wie arm es in zehn Jahren sein wird.

Aber das Wichtigste ist ja der Inhalt. Der Begriff „Humboldtforum“ soll alle Schlossgegner besänftigen, gegen unseren weltreisenden Forscher ist nun wirklich nichts zu sagen. Doch schon der Plan der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den Sammlungen des Ethnologischen und des Museums für Asiatische Kunst den größten Raum zu geben, wurde beschlossen und verkündet – wo sind die Alternativen? Gab es je eine öffentliche Debatte? Wieso wird ein ganzes Geschoss dem stillen Leben von Bibliotheken zur Verfügung gestellt, um nicht zu sagen: geopfert?

Einer Stadt, die jahrelang über Bahnhofsvorplätze diskutiert, sollte der Inhalt seiner neuen historischen Kiste nicht wie ein fetter Braten vorgesetzt werden. Denn wir sollen ihn doch alle schlucken – und richtig lieb haben.

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