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Meinung: Zampanos auf dem Laufsteg

Ole von Beust hat recht: Die „Berliner Republik“ ist zum Showereignis degeneriert

Man kann Ole von Beust, der sich in Hamburg über zwei Volksentscheide hinweggesetzt hat, nicht nachsagen, dass er dem Volk nach dem Maul redet. Es ist eigenwillig, dass er in seiner Antrittsrede als Bundesratspräsident die Politiker zum Thema gemacht hat. Sie müssten die Gefühle der Menschen ernster nehmen. Der politischen Bühne Berlin drohe die Gefahr, zum „Laufsteg politischer Gefallsucht“ zu werden.

Hat er recht? Man sollte sich davor hüten, seine Politiker- und Berlin-Schelte mit naheliegenden Reflexen abzutun, und am wenigsten mit der wohlfeilen Aufforderung, da solle doch einer erst mal bei sich selbst anfangen. Denn sein Befund ist leider wahr. Die Hoffnung, dass die Politik mit dem Umzug nach Berlin realitätsnäher werden würde, hat getrogen. Das Gegenteil ist eingetreten. In Berlin hat sich die Politik weiter von den Menschen entfernt, als sie es im Bonner Raumschiff war.

„Bonn“ ist natürlich keine Alternative, ohnehin nicht als Ort, und auch nicht als Chiffre. Nostalgie ist kein Kraut gegen den Politikverdruss, der trotz des sanften Urteils der Bürger über die große Koalition zunimmt. Und Berlin ist weder schuld an der Lebensferne der Politik, noch ist die Hauptstadt der eigentliche Gegenstand der Skepsis. Berlin ist bei den Deutschen beliebter denn je. Mit Unbehagen und Ablehnung beobachten die Menschen aber, was der Hamburger Erste Bürgermeister die „politische Bühne“ nennt, die Bonn nicht kannte, auf der die Bundespolitik seit dem Umzug aufgeführt wird. Die treffende Chiffre dafür heißt nicht Berlin, sondern „Berlin- Mitte“, und sie beschreibt nicht nur einen konkreten Ort. Sondern auch den virtuellen Raum, der das Regierungsviertel umgibt und der die Bühne erst geschaffen hat. Inner- und außerhalb Berlins nehmen die Menschen Politik wahr in einem unaufhörlichen medialen Reigen von Talks, Events und Auftritten.

Was aus der in den 1990er Jahren so heftig debattierten „Berliner Republik“ geworden ist, interessiert eigentlich niemanden mehr. Eine unbestreitbare Tatsache ist dagegen die Berliner Medienrepublik. Ihrem Tempo und ihren Regeln passen Politiker und politische Journalisten sich an – stets auf die Gefahr, das Politische dabei zu deformieren. Denn im großen Rauschen der Medienwelt gewinnt die Jagd nach Aufmerksamkeit, wer Eindeutigkeit, Bildhaftigkeit, Emotionalisierung, Personalisierung bieten kann. Wer Politik diesen Mechanismen aber zu sehr ausliefert, dementiert ihren Anspruch, dem Gemeinwohl zu dienen. Nicht zufällig ist der große Verdacht der Bürger, dass Politiker in erster Linie an sich selbst denken. Unter der Dauerpräsenz im Bühnenlicht leidet ihr Ansehen als gewählte Repräsentanten.

Viele Bürger nehmen auf der Politbühne Menschen wahr, die jenseits aller Risiken leben, die sie von der Bevölkerung verlangen. Nur aus einem einzigen Grund schneidet die große Koalition besser ab als Rot-Grün: Sie macht nicht so viel Getöse um sich selbst wie die großen Zampanos Schröder und Fischer. Der Bürger zeigt sich, mit anderen Worten, dankbar, weil die Politik ihn etwas mehr in Ruhe lässt. Nicht, weil sein Vertrauen in sie wächst.

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