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Meinung: Zehn Minuten Fußmarsch

Das alte Potpourri grüner Steuervorschläge hat auch diesmal kaum Chancen

Das Ringhotel zum Stein in Wörlitz, ein Vier-Sterne- Haus, hat seine Vorzüge – aber ohne Auto ist es nicht leicht zu erreichen. Mit dem Zug nach Dessau, dann 20 Kilometer mit dem Bus, schließlich fünf bis zehn Minuten Fußmarsch, je nach Gepäck und Konstitution.

Doch auch wenn alle Teilnehmer der Jahresauftaktklausur der grünen Bundestagsfraktion mit dem Auto gekommen sein dürften, kann man sich ernsthaft mit der Diskussion um ökologische Steuerimpulse beschäftigen, die in Wörlitz auf der Tagesordnung stehen: Mehrwertsteuer für die Bahn runter, Steuer auf Flüge rauf. Reinhard Loske hat die Debatte angestoßen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender jener Partei, die vor 25 Jahren ihren Marsch durch die Institutionen begann.

Eine Erhöhung der Ökosteuer, Reizwort für Bürger und Wirtschaft, fordert auch er nicht, wohlwissend, dass nicht die ökologische Lenkungswirkung ihre Hauptfunktion ist, sondern die Aufbesserung der Rentenkasse.

Wie viele seiner Parteifreunde vor ihm fordert auch er eine Steuer auf Flugbenzin. Selbst wenn die Argumente richtig sind, wäre eine solche Steuer im nationalen Alleingang fatal und nur im EU-Verbund machbar. Dass der Treibstoff für Flugzeuge nicht besteuert wird, der für Autos aber schon, ist ungerecht. Aber eine deutsche Flugbenzinsteuer würde nur bewirken, dass anderswo getankt wird.

Und mit welcher Logik würde man Mehrwertsteuer auf innereuropäische Flüge erheben, wie Loske fordert, wenn die umweltschädlicheren, weil weiteren außereuropäischen Flüge nicht besteuert würden? Selbst wenn man innereuropäisch besteuerte, dürfte der Lenkungseffekt gering sein – per Bahn kommt man nicht nach Mallorca.

Bleibt die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets, um Bahnfahren billiger und damit attraktiver zu machen. Doch auch da wäre die Lenkungswirkung wohl gering. Die Bahn AG, die immer noch einen Börsengang anstrebt, würde diese Verbilligung vermutlich nutzen, um die Preise schleichend anzuheben und neuen Spielraum für ihre Sanierung zu gewinnen. Die Millionen, die dem Finanzminister so entgingen, wären also nichts anderes als eine Subvention. Was man erwägen kann, aber dann auch so nennen sollte. Innerdeutsche Flüge sind übrigens mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegt.

Die Klausur wird sich wohl nicht auf die baldige Umsetzung dieser Vorschläge einigen. Im Entwurf einer „Wörlitzer Erklärung“ mit der Überschrift „Weg vom Öl“ werden pauschal der Abbau von Sonderregelungen bei der Ökosteuer und von Subventionen des Luftverkehrs, die Abschaffung der Pendlerpauschale und die Reduzierung von Steinkohlesubventionen vorgeschlagen.

„Weg vom Öl“ möchten die Grünen – natürlich – nicht als Plädoyer für Atomkraft und Kohle verstanden wissen, und so bleibt nur der Weg, den Energieverbrauch durch neue Technologien zu senken und Solar- und Windenergie zu einer aus eigener Kraft lebensfähigen Branche zu entwickeln.

Manches in der „Wörlitzer Erklärung“ ist bereits beschlossene Sache, sinkende Steinkohlesubventionen etwa. Anderes wie die Abschaffung der Pendlerpauschale ist Programm der Koalition mit der SPD und wird zu allen passenden Gelegenheiten hervorgezerrt, etwa wenn es an das Stopfen der Haushaltslöcher geht. Aber das ökonomisch und ökologisch richtige Ende der Pendlerpauschale scheiterte bereits an der Mehrheit im Bundesrat.

Was im Koalitionsvertrag als Fortschreibung der ökologischen Steuerreform umschrieben war, wird daher kaum praktischen Niederschlag finden. Den Grünen ist es gelungen, pünktlich zum 25. Geburtstag ihre Herkunft zu unterstreichen. Und im nächsten Koalitionsvertrag von Rot-Grün, so es denn einen gibt, werden sich die hübschen Ideen wiederfinden.

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