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Meinung: Zuwanderung: Aus der Zeit gefallen

Was ist ein Zuwanderungsgesetz? Ein Gesetz, das regelt, wer nach Deutschland kommen darf oder soll und unter welchen Bedingungen Einwanderer hier leben.

Was ist ein Zuwanderungsgesetz? Ein Gesetz, das regelt, wer nach Deutschland kommen darf oder soll und unter welchen Bedingungen Einwanderer hier leben. Otto Schily hat kürzlich seine Version dieses Gesetzes vorgelegt. Es ist ein Kompromiss: Wen der hiesige Arbeitsmarkt braucht, der soll kommen - aber gleichzeitig soll das Zuzugsalter für Kinder von Migranten erhöht und alle zwei Jahre geprüft werden, ob Asylbewerber noch hier bleiben dürfen. Obwohl manches für Migranten einfacher werden soll, spricht aus diesem Entwurf ein ziemlich rabiates Nützlichkeitsdenken. Dafür ist Schily kritisiert worden. Alle, denen an einer humanitären Asylpraxis gelegen ist, halten diesen Entwurf für mangelhaft - für die Gesellschaft insgesamt ist er ein Schritt nach vorn. Denn er dokumentiert, dass wir Migration wollen. Die FDP und viele in der CDU fanden das Papier erstmal akzeptabel.

Seltsames hörte man hingegen von der CSU. Edmund Stoiber ist dagegen, weil dieser Entwurf Zuwanderung ermögliche. Bayerische Dialektik: Das Zuwanderungsgesetz, das Stoiber will, soll regeln, wer nicht kommen darf. Wäre da nicht "Gesetz zur effektiven Verhinderung von jeder Zuwanderung" der passendere Name?

Stoibers Reaktion zeigt die Lernresistenz des rechten Flügels der Union. Man will das einfach nicht. Punkt. Dieser Unwille zu lernen wächst nicht nur aus populistischem Kalkül. Er hat auch einen materiellen Grund. Mit dieser Haltung hatte die rechte Union 16 Jahre lang unseligerweise phänomenalen Erfolg. Denn in der Kohl-Ära passierte ausländerpolitisch - so gut wie nichts. Es herrschte das ewige Mantra "Wir sind kein Einwanderungsland" - obwohl schon ein Blick aus dem Fenster das Gegenteil bewies. Im Parlament glaubte in den 90ern eigentlich eine satte Mehrheit, die von Teilen der CDU über FDP und SPD bis zu Grünen und PDS reichte, dass Schluss sein müsse mit dieser Lebenslüge. Doch der rechte Unionsflügel, eine kleine, radikale Minderheit, wusste stets alles zu verhindern. Das ausländerpolitische Koma beendete erst Rot-Grün.

Stoiber redet 2001 so, als wäre Kohl noch Kanzler, als hätten die Unionsrechten noch immer eine Sperrminorität. Rot-Grün aber wird ein Zuwanderungsgesetz wohl auch gegen Stoiber & Koch durch den Bundesrat bringen. Deshalb wirkt Stoiber, als wäre er aus der Zeit gefallen.

Stefan Reinecke

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