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Meinung: Zwei Krisen sind eine zu viel

Die Türkei braucht mehr Zeit zur Lösung des Zypernkonflikts

Wieder einmal ist ein Versuch gescheitert, der geteilten Mittelmeerinsel Zypern den Frieden zu bringen. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat es nicht geschafft, Griechen und Türken auf der Insel auf seinen Friedensplan einzuschwören, der die Bildung eines Bundesstaates nach Schweizer Vorbild vorsah. Wie so häufig seit der Teilung 1974 haben sich internationale Vermittler am Zypernproblem die Zähne ausgebissen.

Der Zeitplan der Vereinten Nationen, die Volksgruppen auf der Insel schon Ende März über eine Wiedervereinigung abstimmen zu lassen, war völlig unrealistisch. Zudem war es falsch, Griechen und Türken mit einem fertigen Friedensplan zu konfrontieren und substanzielle Nachverhandlungen auszuschließen. Wie nicht anders zu erwarten, meldeten Griechen und Türken trotzdem Nachforderungen an, die sich gegenseitig ausschlossen. Weil die UN keinen Verhandlungsspielraum vorgesehen hatten, führten diese Widersprüche geradewegs in die Sackgasse.

Das Scheitern selbst der höchstrangigen internationalen Vermittler zeigt: Eine Lösung muss von den Zyprern selbst kommen. Nur Griechen und Türken können einen für beide Volksgruppen akzeptablen Weg finden, sensible Probleme wie die Rückkehr griechischer Flüchtlinge in den türkischen Inselteil oder die Rechte der türkischen Minderheit in einem gemeinsamen Staat zu lösen. Das braucht Zeit.

Der Druck, der durch die bevorstehende Aufnahme des griechischen Inselteils in die EU ausgelöst wird, könnte sich bei den weiteren Verhandlungen der beiden Volksgruppen als heilsamer erweisen, als es die Modelle der UN gewesen sind. Viele türkische Zyprer wollen alles daran setzen, in den Genuss der EU-Mitgliedschaft zu kommen, und protestieren seit Monaten gegen die starre Haltung des türkisch-zyprischen Volksgruppenführers Rauf Denktasch. Nach dem Kollaps der Haager Gespräche sehen sie die Chance, den 79-Jährigen endlich abzusetzen.

Auch Denktaschs Schutzmacht, die Türkei, wird unruhig, weil sie um ihre europäische Zukunft fürchtet. Ohne Friedenslösung für Zypern werde die Türkei mit ihren zehntausenden dort stationierten Soldaten bei der Aufnahme der Insel in die EU im nächsten Jahr zur Besatzungsmacht in einem EU-Land, warnte Brüssel gestern. Die EU-Mitgliedschaft der Türkei wäre gefährdet. Deshalb übte die neue türkische Regierung nach ihrem Amtsantritt großen Druck auf Denktasch aus, sich flexibler zu geben. Dann kam die Irak-Krise dazwischen. Mit einer vollständigen Wende der Zypernpolitik würde sich die Regierung in Ankara aber dem Vorwurf aussetzen, die türkischen Brüder auf der Insel im Stich zu lassen und zudem einen Konflikt mit den Militärs riskieren – ein solches Manöver würde ihre ganze Kraft erfordern und ist derzeit unmöglich.

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Der designierte neue Ministerpräsident Erdogan hat mehr als deutlich gemacht, dass er vom türkisch-zyprischen Volksgruppenführer einschneidende Veränderungen erwartet. Wenn die Irak-Krise entschärft ist, wird Denktasch um Zugeständnisse nicht herumkommen. Er wird dann wohl nicht so weit gehen, wie die griechische Seite das will. Vielleicht werden die Griechen dem türkischen Sektor mehr Autonomie einräumen müssen, als es der Annan-Plan vorsah. Doch die Zeit arbeitet gegen Denktasch. Eine Lösung bis zum EU-Beitritt Zyperns im kommenden Jahr bleibt möglich.

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