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Meinung: Zwei Träume für tausendundeine Nacht

Die G 8 wissen, dass sie Arabien modernisieren müssen – aber nicht, wie sie es schaffen

So viel Eintracht war lange nicht. Der UN-Sicherheitsrat beschließt eine Resolution, die die berechtigten Souveränitätswünsche der Iraker mit der Notwendigkeit des Alltags ein Jahr nach Kriegsende ausbalanciert. Und beim G-8- Gipfel besprechen die Führer der wichtigsten Industriestaaten die größte Bedrohung unserer Zeit: die Instabilität und politische Rückständigkeit der arabischen Welt. Sie ist die Hauptquelle des Terrors. Gegen diese Gefahr gibt es nur ein Rezept: eine gemeinsame Strategie für die Modernisierung des Nahen und Mittleren Osten.

Für den Westen ist das eine Überlebensfrage, im doppelten Sinn. Findet die transatlantische Gemeinschaft keine effiziente Antwort, dann nimmt der Terror weiter zu. Und findet sie keine gemeinsame Antwort, sondern zerstreitet sich über die richtige Strategie, dann wird es den Westen als politische Einheit bald nicht mehr geben.

Neue Eintracht also oder nur ein transatlantisches Zwischenhoch nach dem emotionalen Kitt des D-Day? Die Debatte über die Irakresolution gibt gleichermaßen Anlass für Hoffnung wie für Befürchtungen. Hoffnung, weil am Ende der Realitätssinn siegte. Befürchtungen, weil der Wunsch, Amerika zu maßregeln, in Teilen Europas erstaunlich lange die Oberhand zu behalten schien.

Der Irak bekommt weit gehende, aber nicht die volle Souveränität; es gibt keinen festen Abzugstermin für die Besatzungstruppen; und das letzte Wort über militärische Einsätze behalten deren Kommandeure. Das alles ist richtig so. Nur ein Jahr nach dem Sturz der Saddam-Diktatur ist das Land in einer schlimmeren Lage als Deutschland oder Japan 1946. Es ist nicht befriedet und kann auf keine Erfahrung als Demokratie und Rechtsstaat zurückgreifen. Wer soll die volle Souveränität ausüben, die jetzt viele fordern? Wer hätte die politische und moralische Autorität dazu? Der Irak braucht noch lange Hilfe beim Aufbau eines modernen Staates, der eines fernen Tages eine Demokratie werden kann. Weil die Lage so schwierig ist, wäre ein fester Abzugstermin 2005 oder 2006 keine schmerzhafte Auflage für Amerika, sondern ein Schlupfloch, seine Soldaten zu früh abzuziehen. Auf dem Balkan muss der Westen den Frieden noch fünf Jahre nach Kriegsende militärisch sichern. Im Irak wird es länger dauern, Amerika darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Auch beim Blick auf die übrige arabische Welt darf der Zorn über Bush nicht den Realitätssinn verdrängen. Richtig ist: Amerikas Versuch, dem Irak mit Gewalt die Diktatur auszutreiben, war nicht sonderlich überzeugend. Aber welche Konzepte haben die Kriegsgegner? Die Modernisierung, die Demokratie müssen von innen kommen – das klingt schön, ist aber Wunschdenken. Saddam wurde 25 Jahre lang nicht von innen gestürzt. Und was deutet darauf hin, dass das Regime in Saudi-Arabien, Hauptexporteur des internationalen Terrorismus, sich freiwillig von innen reformiert? Oder Syrien oder Ägypten. Da ist starker Druck nötig.

Amerika hat die richtigen Fragen gestellt, aber nicht unbedingt die richtigen Antworten gegeben. Regimechange mit militärischer Gewalt ist kein Modell. Gut zureden und abwarten aber auch nicht. Die Regime müssen auf verbindliche Regeln festgelegt werden, nach dem Beispiel der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) seit 1975. 14 Jahre später stürzten die kommunistischen Diktaturen. Joschka Fischers Konzept für die Modernisierung des Mittleren Ostens unterscheidet sich nicht sehr von Präsident Bushs. Wann kommt zur einträchtigen Rede die Eintracht beim Handeln?

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