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Zweite Amtszeit für Horst Köhler?: Rechnung mit dem Wirt

Der alte Präsident wird aller Voraussicht nach auch der neue sein. Nur: die Mehrheit für Horst Köhler ist dünn.

Am 23. Mai 2009 tritt in Berlin die Bundesversammlung zusammen und wählt den Bundespräsidenten. Viel spricht dafür, dass das alte auch das neue Staatsoberhaupt sein wird. Horst Köhler hat sich offiziell bislang nicht zu einer zweiten Amtszeit geäußert. Aber da sein Amt ihm erkennbar Freude bereitet, spricht wenig gegen eine erneute Kandidatur, wäre da nicht eine Kleinigkeit. Die Mehrheit von Union und Liberalen, also jener Parteien, die Köhler 2004 ins Amt brachten, ist dünn. CDU, CSU und FDP stellen 613 oder 614 von 1205 Wahlfrauen und -männern. Die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen liegt bei 603. Im Herbst wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt, die CSU stellte bislang 64 Wahlberechtigte in der Bundesversammlung. Es grenzte an ein Wunder, wenn die CSU noch einmal, wie 2003 unter Edmund Stoiber, 60,7 Prozent der Stimmen erreichen würde. Die Majorität der sicheren Köhler-Fraktion in der Bundesversammlung ist also im Mai 2009 nicht mehr gegeben.

Natürlich ist es denkbar, dass der 65-Jährige auch Stimmen aus anderen Parteien bekommt. Aber wer sagt, dass alle Wahlfrauen und -männer der Union für ihn votieren? Bei der FDP kann er mit blinder Treue rechnen, aber Horst Köhler hat in seiner Amtszeit drei Gesetzesvorhaben der großen Koalition handwerkliche Mängel attestiert und die notwendige Gegenzeichnung des Präsidenten verweigert. Das war für die Regierung Merkel so peinlich, wie nicht nur die Bundeskanzlerin Köhlers Dauer-Drängen auf weitere Reformen nervig findet.

Nach Lage der Dinge müsste die Union also mit der SPD ein Geschäft auf Gegenseitigkeit abschließen. Geben die Sozialdemokraten Köhler ausreichend Stimmen, kann die CDU sich bei der Nachfolge des EU-Kommissars Günter Verheugen, eines SPD-Mannes, großzügig zeigen; ein Richterstuhl am Bundesverfassungsgericht ist ebenfalls noch vakant. Aber auch dies ist eine Rechnung mit Unbekannten, denn 2009 wird nicht nur der Bundespräsident, sondern auch der Bundestag neu gewählt. Theoretisch könnte die Union daher auch mit den Grünen ein Köhler-Mehrheitsbeschaffungsprogramm aushandeln. Der SPD ihrerseits wäre eine eigene Mehrheit nur mithilfe der Linken möglich. Es scheint fast ausgeschlossen, dass sich Gesine Schwan, die angesehene Kandidatin von 2004, durch die PDS-Nachfolger ins Amt heben ließe. Also? Bleibt wohl alles beim Alten. Wer wagte schon, einen im Volk hoch angesehenen Bundespräsidenten aus rein parteitaktischem Kalkül nicht wiederzuwählen?

Gerd Appenzeller

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