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Zwischenruf: Den Armen helfen die Reichen nicht

Nicht Geld hilft den Armen, sondern die Möglichkeit, sich aus der Armut zu befreien. Diese Möglichkeit muss die Gemeinschaft schaffen.

Deutschland ist ein ungerechtes Land. Es hält seine Bedürftigen in beschämender Armut, während die Reichen sich die Taschen vollstopfen. So oder ähnlich waren die Reaktionen auf den Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Die Diskussion zeigt vor allem: Die Reflexe – Bedürftigen muss geholfen werden – sind richtig. Aber im Kopf stimmt’s nicht mehr.

Aus der Situation der Armen im Land zu folgern, dass man den Reichen mehr wegnehmen muss, um es den Armen zu geben, ist falsch. Wer arm ist, aus welchen Gründen auch immer, wird arm bleiben. Es sei denn, es gelingt ihm aus eigener Kraft, sich aus dieser Lage zu befreien. Notleidende haben einen Anspruch darauf, dass das Gemeinwesen ihnen das zum Leben Notwendige zur Verfügung stellt. Sie haben auch das Recht zu verlangen, dass dieses Gemeinwesen alles tut, um ihnen den Weg aus der Armut zu öffnen. Den ersten Teil des Versprechens erfüllt Deutschland, den zweiten nicht. Sollten Arme im Interesse des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft mehr bekommen als das Notwendige? Nein. Muss die bundesdeutsche Gesellschaft mehr tun, um ihren Armen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen? Ja. Um Mindestlöhne und den Zugang zu Bildung wird auf politischer und gesellschaftlicher Ebene deshalb zu recht gestritten. Diese Auseinandersetzung steht für das Ringen um den richtigen Weg, mehr Bürgern ein Leben in befriedigenden materiellen Verhältnissen zu ermöglichen.

Von den Leistungsfähigen, die schon heute mehr als 50 Prozent des Einkommensteueraufkommens beitragen, hängt das System der sozialen Marktwirtschaft ab. Bestraft man sie dafür, dass sie etwas können, dass sie ihre Steuern bezahlen und dass sie die Erziehung ihrer Kinder in aller Regel selbst bewerkstelligen können, ist das nicht gerecht. Steuern werden zu einer Bestrafungsaktion, wenn damit moralische Aussagen verbunden werden.

Deutschland wird in den kommenden Jahren wegen der Eurokrise wahrscheinlich erhebliche Mehrbelastungen zu tragen haben. Es ist richtig, wenn die Gutsituierten dann entsprechend mehr bezahlen müssen. Das aber findet seine Begründung nicht in der Lage der Armen, sondern im Prinzip, Bürger nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. Dabei kommt es nicht auf Reflexe an. Sondern auf den Kopf.

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