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Zwischenruf: Der Fluch der guten Tat

Wie kann man männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund in die Mehrheitsgesellschaft integrieren? Die Kinder- und Jugendhilfe muss darauf andere Antworten finden - mit anderem Personal.

Wenn sie ganz ehrlich zueinander sind, gestehen sich Jugendsozialarbeiter und ihre Geldgeber ein, dass es bislang kein Rezept gibt, männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Kein Fußballprojekt, kein Berufsgrundschuljahr, kein Migranten-in-Ausbildung-Programm funktioniert wirklich. Funktionieren heißt, dass es über den Einzelfall hinaus zuverlässig auch in der Fläche wirken würde. Selbst da, wo unter Laborbedingungen unrealistisch hohe Geldsummen für den Einzelfall ausgegeben werden, bleiben die Erfolge übersichtlich.

Das hat viele Gründe – vor allem aber den, dass den Helfern die Zugänge und die Akzeptanz in den Milieus fehlen. Die Sozialarbeit ist genauso deutsch und weiblich und über 40, wie die problematischen Jugendlichen migrantisch, männlich, und unter 25 sind. Auf dem Kinder- und Jugendhilfetag vor wenigen Tagen in Essen war das genauso augenfällig wie in der Realität. Dem „Markt der Möglichkeiten“ mangelte es nicht an Vorhaben, Migrantenkinder zu integrieren.Doch nicht einmal auf den ausgelegten riesigen Sitzkissen für Betroffene fläzte sich die Zielgruppe. Stattdessen saßen dort Sozialarbeiterinnen von den Nachbarständen, um sich auszutauschen.

Die Kinder- und Jugendhilfe ist besser geworden, problembewusster, angemessener, keine Frage. Doch sie ist immer noch ein selbstreferenzielles System, das mit den falschen Personen der richtigen Zielgruppe zu Leibe rückt. Noch schlimmer: Dieses System kann aus sich heraus gar kein Interesse daran haben, die Welt der Jugendhilfe fundamental zu verändern. Es ist kein Wunder, dass die wenigen guten Projekte für männliche Jugendliche in den Problemvierteln der Großstädte oft von erwachsenen Migranten gestaltet werden. Es ist auch kein Wunder, dass diese Projekte keine Chance bekommen, sich großflächig zu verbreiten.

Die heutigen Helfer würden nämlich das Monopol auf Problemdeutung und Problemlösung verlieren, wenn die guten Ansätze zum Standard würden. Sie müssten auf privates Stiftergeld, öffentliche Budgets und Stellen verzichten. Gesucht würden für die Jugendämter nicht mehr Frauen, sondern Männer. Migrationshintergrund wäre kein Einstellungshemmnis mehr, im Gegenteil. Ansprechpartner wären nicht mehr die Mütter, sondern die Väter. Aber wer stellt schon freiwillig seine Existenzgrundlage infrage?

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