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Politik: … das Feuilleton endet

Es gibt ein Leben nach dem Feuilleton, und das heißt Beckett. Die kluge Wochenzeitung „Die Zeit“ hat ihren gesamten Kulturteil in dieser Woche freigeräumt für Samuel Beckett, der heute 100 Jahre alt geworden wäre.

Es gibt ein Leben nach dem Feuilleton, und das heißt Beckett. Die kluge Wochenzeitung „Die Zeit“ hat ihren gesamten Kulturteil in dieser Woche freigeräumt für Samuel Beckett, der heute 100 Jahre alt geworden wäre. Dann haben sie bei der „Zeit“ Beckett hingeschrieben, wo sonst Feuilleton steht. Ein Pars pro Toto, ein Beckett steht für das Ganze. Man wird sehen, ob das Feuilleton der „Zeit“ demnächst Brecht heißt oder Schumann (Robert), beides noch Jubilare in diesem Jahr.

Von Beckett weiß man, dass er seine Texte erst per Hand verfasst hat und sie anschließend in eine Schreibmaschine tippte. Mit dem Mac-Betriebssystem hatte Beckett nichts am Hut. Man kann allerdings sagen, die Benutzer des Mac- Betriebssystems haben auf die Windowsfähigkeit ihres Computers gewartet wie Wladimir und Estragon auf Godot. Mit dem Unterschied, dass Godot nicht kam, die Windowsfähigkeit von Mac aber sehr wohl. Doch, das ist wichtig und gehört auch hierher.

Der Ort des künstlerischen Schaffens ist ansonsten schnurzpiepegal. Samuel Beckett schrieb „Endspiel“ in einem Hutzelhäuschen, man fasst es nicht. Unsereins Nichtgenie würde darin vielleicht den Rasenmäher unterstellen, gibt ja eh nichts zu mähen, weil ja nichts wächst in diesem Frühling. Oder Heinrich Heine, der Gute. Der war auch schon Jubilar in diesem Jahr. Früher schrieb er aus der Matratzengruft. Thomas Mann, der alte Pedant, baute, wo immer er sich aufhielt, erst einmal seinen Schreibtisch auf, auf dem alles, aber auch alles seinen immer gleichen Platz haben musste. Arno Schmidt hingegen schrieb im Zettelkasten, und Elfriede Jelinek schreibt im Haus der Mutter. Der Mutter! Für Genies ist der Ort des Schaffens tatsächlich schnurzpiepegal. Hauptsache, sie haben einen Rückzugsort.

Heutzutage dichten die meisten Dichter am Computer. Gerade Frau Jelinek. Dichter sind Schöngeister. Schöngeister haben einen Apple-Computer, schon aus weltanschaulichen und ästhetischen Gründen. Sie konnten sich einbilden, nicht am Computer zu sitzen, sondern am Kreativgerät. Sie konnten sich auch einbilden, auf einem eigenen Planeten zu sein, an irgendeinem Rückzugsort. Ohne Zugriff auf Windows blieb die Welt draußen. Man hätte sie reinholen können, aber dazu musste man etwas verstehen von Technik, was wiederum nicht kompatibel mit der Schöngeisterei war. Damit ist nun Schluss. Wahrscheinlich gibt es bald keine Literatur mehr. Das Feuilleton ist ja schon abgeschafft.uem

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