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Politik: … die Sekunde nicht verrinnt

Ist eine Sekunde nicht dem Flügelschlag des Schmetterlings vergleichbar, der, im Amazonas-Urwald leichtfertig dahingeflattert, in Europa einen Orkan auslöst? Oder der Schneeflocke, die sich nichts dachte, als sie sich auf dem Ast niederließ, und ihn damit zu Boden zwang?

Ist eine Sekunde nicht dem Flügelschlag des Schmetterlings vergleichbar, der, im Amazonas-Urwald leichtfertig dahingeflattert, in Europa einen Orkan auslöst? Oder der Schneeflocke, die sich nichts dachte, als sie sich auf dem Ast niederließ, und ihn damit zu Boden zwang? Nö? Nicht vergleichbar? Dann eben nicht.

Und doch, eine Sekunde, ein Nichts, ohne die alles nichts wäre. Der Sekundenbruchteil, in dem Augenpaare sich treffen – und dann alles wissen. Und am anderen Ende, der Moment, in dem etwas aus ist, vorbei ist, all die Minuten und Jahre zuvor zählen dann nichts mehr. Aber Halt, puh!, jetzt lappen diese Zeilen doch schwer ins Existenzielle. Dabei geht es doch nur um die Schaltsekunde, jenen Zeitzugewinn, der uns in der Silvesternacht geschenkt wird, weil die Erdrotation sich einen Teufel schert um unsere Zeitrechnung und sich die Erde Jahr um Jahr immer langsamer dreht. Bleibt sie eigentlich irgendwann stehen? Nicht auszumalen, was dann alles geschieht, bei all dem, was im Namen des Erdstillstandes schon prophezeit wurde.

Eine Sekunde, wie furchtbar lang die ist, was da alles passieren kann? Der FC Bayern München weiß das, aber über Fußball reden wir erst nächstes Jahr. Hoffentlich können wir überhaupt mit diesem Geschenk umgehen, die meisten sind doch eher gewohnt, dass ihnen Zeit gestohlen wird. Oder sie nie welche haben. Oder sie sie sinnlos verschleudern. Wahrscheinlich wird es Silvester einige Verwirrung geben, wenn die Leute wieder den Countdown runterzählen und bei null nichts passiert. Weil dann das Geschenk kommt. Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, ätsch!, eben nicht Prosit Neujahr.

Man kann kurz innehalten, die Luft anhalten, oder tief einatmen, die Augen schließen, oder die Augen aufmachen, wie man will. Oder tief ausatmen, weil dieses alles in allem mit den vielen großen und kleinen Katastrophen doch recht mühsame 2005 endlich vorbei ist. Man kann die letzte Zigarette ausdrücken in jener Sekunde. Oder den ersten Schritt in ein sportlicheres Leben machen, gerade wichtig 2006, mit Olympia, der Weltmeisterschaft und Jan Ullrich, da muss man schon sozusagen am Ball bleiben. Wo man doch so viele Stunden vor dem neuen Fernseher im Sessel hockt.

Also nochmal von vorne. Und alle: Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins. Man kann dann auch drei Worte sagen, dafür reicht so eine geschenkte Sekunde allemal. Und dann, wusch!, fliegt die Rakete.uem

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