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Politik: … die Zecke wählbar wurde

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die Volksweisheit verschweigt, was dazwischen kommt: allerhand öffentliche Stellungnahmen, die besser unterblieben wären.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die Volksweisheit verschweigt, was dazwischen kommt: allerhand öffentliche Stellungnahmen, die besser unterblieben wären. Wir erkennen die ganz ausgebufften Profis daran, dass sie auch in schweren Stunden konsequent beim Nichtssagen bleiben. „Letztlich wird es sich messen am Erfolg“ – das ist ein echter Münte, der Versuch, aus einem Vakuum Honig zu saugen, falls man das so sagen kann. Nicht einmal das „Es“ lässt sich genau lokalisieren; vermutlich handelt es sich um das kollektive Unterbewusste der SPD, eine Grauzone, in der Lassalle die Duellpistole säubert Ernst Busch zur Klampfe die Internationale schmettert und Oskar zum DixielandFrühschoppen bittet.

Müntefering aber ist eine Ausnahme. Denn in jeder Nachwahl-Debatte dominieren allemal die Blutgrätschen, wie sie Michael Glos, der Vorstopper der CSU, so unnachahmlich vorzutragen weiß. Der Kopf verliert den Überblick, das Herz rutscht auf die Zunge und gibt dort unkontrolliert Sätze frei, wie gemeißelt aus eitel Bierdunst. „Die Zecke kommt immer besser weg als das Wirtstier“ formulierte Glos zu den Erfolgen der Grünen. Ein gewagtes Bild: Irgendwo im politischen Dschungel haben sich die Sozis eine Zecke eingefangen, die nun Legislaturperiode für Legislaturperiode an ihnen herumsaugt, bis praktisch nichts mehr drin ist. Schon schaut sie sich, fett und rund geworden, nach einem neuen Wirtstier um – das schwarz-grüne Projekt ist geboren. Nun ja. Was ließe sich zu Glos´ Verteidigung vorbringen?

Zum Beispiel, dass das nicht persönlich gemeint war, nicht so wie bei den Neonazis, die ja gern von „roten Zecken“ sprechen, wenn sie mutmaßliche Linke durch Magdeburger Plattensiedlungen und aus dem sog. Volkskörper zu treiben suchen. Nein: Glos hat ein Sinnbild für das grüne Projekt an sich finden wollen, das ja in seiner Art parasitär... Ach, so geht es auch nicht. Soll er doch selber sehen, wie er aus dem Fettnapf rausfindet. Falsch zitiert? Aus dem Zusammenhang gerissen? Geht nicht, denn es war eine Live-Talkshow. Scherzhafte Bemerkung durch böswillige Überinterpretation mißbraucht? Schon besser. Blackout? Momentane Unterzuckerung? Das hätte sogar Tradition bei den Unions-Christen, Glos reihte sich damit ein in die Galerie der großen bayrischen Volksredner, denen das Wort schon immer wichtiger war als der Sinn. Möglicherweise heiligt die Zecke die Mittel – aber auch sie wird sich messen müssen am Erfolg. bm

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