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Politik: ...Politik mit dem Daumen gemacht wird

Es herrscht ja ein ungeheures Stimmengewirr jetzt in der Union. Erfolg macht redselig.

Es herrscht ja ein ungeheures Stimmengewirr jetzt in der Union. Erfolg macht redselig. Und vor allem der Eindruck, Politik alsbald selbst gestalten zu können, ruft eine Fülle von Ideen hervor. Der eine macht sich für die Erhöhung der Frühbeetsteuer stark, der Nächste spricht sich für die Abschaffung der Geigenleimzulage aus, und selbst die Heubodenpauschale, die lange Zeit ebenso sakrosankt war wie der Rammlerbesamungszuschlag und die Wildkräuterabgabe, steht nun ernsthaft zur Disposition.

Nun weiß jeder Wahlbürger, dass nicht all diese Ideen Realität werden, zumal selbst ihre Erfinder selten nachweisen können, dass eine aufkommensneutrale Umsetzung möglich ist. Doch nach draußen dringt eine ungeheure Kakophonie, die Verwirrung stiftet und dem politischen Gegner in die Hände spielt. Irgendjemand muss also „Schnauze!“ rufen, und zwar so, dass es alle Funktionsträger hören. Ein Job für den Generalsekretär: Volker Kauder nutzt dafür modernste Technik. Er hat den CDUBundestagsabgeordneten und anderen Schwerdenkern der Partei jetzt eine SMS geschickt, die auf „Schnauze!“ hinausläuft, wenn auch ein wenig höflicher formuliert.

Wir sehen also: Das Klischee vom Politiker, der draußen im Wahlkreis unter seinen Leuten schwimmt wie der Fisch im Wasser, und der sich nur ab und zu im fernen Berlin dem Fraktionszwang unterwirft, ist Geschichte. Selbst draußen in Drögenbüttel und Schnackselried sind sie nur auf Abruf allein; jederzeit kann das Handy losvibrieren und einen harschen Anpfiff des Generalsekretärs übermitteln, vermutlich noch verstärkt durch kleine Symbole wie :-( oder ;-( , die auf einen Blick deutlich machen, wie es drinnen in der Zentrale wirklich aussieht.

Vermutlich ist die SMS längst, vom Volke unbemerkt, zum zentralen Transportmedium der Politik geworden. Denn jeder, der einen Daumen und ein Handy hat, kann sie schicken, und das aus jeder Lebenslage. Doch das Risiko ist groß. „Was machen wir denn nun?“ hatte Franz Müntefering seinen Kanzler am Sonntag in einer SMS gefragt, als die NRW-Wahl gerade in die Grütze ging, und der Kanzler wollte antworten: „Neuwahlen sind auch keine Lösung.“ Doch nach „Neuwahlen“ brach die Sendung ab – und Münte zog mit exakt der falschen Botschaft vor die Presse.

Trotzdem wird das Instrument SMS immer wichtiger werden für die Politik. „Wildkräuterabgabe?“ wird Kauder seine Leute fragen, „sende SMS JA oder NEIN“. Direkter ist die Demokratie noch nie gewesen, nicht wahr? bm

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