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Politik: … wir an den ersten Globalisierer erinnern

Es steht mal wieder eine Ehrenrettung an, und was für eine. Dschingis Khan!

Es steht mal wieder eine Ehrenrettung an, und was für eine. Dschingis Khan! „Er zeugte sieben Kinder in einer Nacht / und über seine Feinde hat er nur gelacht“ – das ist so ungefähr der übliche Wissensstand, mit dem Ralph Siegel und Bernd Meinunger immerhin 1979 den vierten Platz beim Grand Prix gewannen, eine erstklassige historische Referenz also. Dschingis Khan und seine Mongolenhorden – ho Reiter, he Reiter, immer weiter! – sind für uns Heutige ein frühes Äquivalent zu Hitler und den Nazis, nur eben, ja, lebensfroher. Aber auch viel ungepflegter.

Das ist offenbar eine Fehlinterpretation. Vom Titelbild der neuen „Wirtschaftswoche“ blickt ein mandeläugiger Mandarin, ein wenig erschöpft vom Visionenhaben möglicherweise, eventuell auch leicht genervt von der Begriffsstutzigkeit seiner Vorstandskollegen, aber sonst das direkte Gegenteil des reitenden Barbaren mit dem blutigen Messer zwischen den Zähnen. Dschingis Khan: der erste Chief Executive Officer der Globalisierung. Entscheidungsfreudig, wachsam, lernbegierig, kommunikativ, bescheiden …

Hören wir auf, bevor das Profil zu sehr an Josef Ackermann erinnert, der ja nur einer der zahllosen Eleven der mongolischen Managementakademie ist. Der Mongolenfürst hat, so lesen wir, die Mitarbeiterbeteiligung und ein Post- und Kuriersystem erfunden, er verlor nie die Konkurrenz aus den Augen und pflegte sogar ein Faible für Literatur. Denn vor dem zeittypischen Morden und Brandschatzen gab er stets Order, aus den besiegten Städten kostbare Texte in Sicherheit zu bringen.

Ein Experte meint sogar, durch die Einrichtung der Seidenstraße habe er Renaissance und Aufklärung den Weg nach Europa geebnet. Daraus folgt: Hätte ihm nicht der Tod die Zügel vorzeitig aus der Hand genommen, dann wäre in Europa ein Billiglohnland entstanden voller Tagelöhner, die den unter Steuern und Sozialabgaben ächzenden Mongolen die Teppiche knüpften.

So viel zu den wirtschaftlichen Aspekten der Lehren des Dschingis Khan, die ihn als Urahnen der Heuschrecken erscheinen lassen. Doch vergessen wir nicht den sozialpolitischen Vorkämpfer: Sieben Kinder in einer Nacht – dem hätte selbst unsere Familienministerin nichts entgegenzusetzen.

Anderes, was wir bei Siegel/Meinunger finden, wirkt im Vergleich ein wenig überholt: „Lasst noch Wodka holen / denn wir sind Mongolen!“, das widerspricht medizinischen Erkenntnissen, von denen Dschingis Khan noch nichts ahnte. Heute würde er sich wohl mit Prosecco begnügen müssen. bm

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