zum Hauptinhalt

Politik: … wir uns das Lächeln abgewöhnen müssen

Die junge Frau, anders kann man das nicht sagen, war eine deutsche Sympathieträgerin. Den blondierten Kopf dem Betrachter zugeneigt, mit strahlend weißen Zähnen lächelnd, ein wenig Uschi Glas der späten Schwabinger Zeit, ein Hauch Wencke Myhre aus deren Beiß-nichtgleich-in-jeden-A-hap-fel-Periode: Erika Mustermann.

Die junge Frau, anders kann man das nicht sagen, war eine deutsche Sympathieträgerin. Den blondierten Kopf dem Betrachter zugeneigt, mit strahlend weißen Zähnen lächelnd, ein wenig Uschi Glas der späten Schwabinger Zeit, ein Hauch Wencke Myhre aus deren Beiß-nichtgleich-in-jeden-A-hap-fel-Periode: Erika Mustermann. Geboren als Tochter eines gewissen Franz-Xaver Gabler am 12. August 1964 mitten im Wirtschaftswunder, gestorben … Nein , nicht wirklich gestorben, denn das kann man als fiktive Gesamtdeutsche nicht.

Dennoch wird sich Erika M. jetzt völlig neu erfinden müssen: Ihr weltbekanntes Lächeln, ihr schelmisch von außen ins Blickzentrum geneigter Kopf, sie sind nicht länger EU-konform. Wie wir jetzt aktuell von der Bundesdruckerei erfahren, sehen die Regeln für den biometrischen Reisepass all diese Attribute nicht länger vor – und da wird nun auch der Personalausweis allein kein Dokument des Frohsinns bleiben können. Bitte, Frau Mustermann! Frontal! Kopf gerade! Nase in der Mitte! Nicht lächeln! Mund zu!

Das klingt wie eine Anweisung aus der Aufnahmeprüfung für Kampftaucher, ist aber nur das Ergebnis der Expertenüberlegungen zur automatisierten Gesichtserkennung. Gesichtserkennungsautomaten nämlich wollen nicht durch schelmisches Lächeln irritiert werden, sie können mit strahlenden Zähnen nichts anfangen und schlagen Alarm, wenn die Nase nicht in der Mitte des Delinquenten sitzt. Erika Mustermann, flexibel, wie sie schon immer war, wird sich also den Eindruck einer kalten Business-Hyäne anschminken müssen, um auch weiterhin Vorbild aller Deutschen bleiben zu dürfen.

Was aber geschieht mit jenen Deutschen, die nicht so flexibel sind? Die die Nase schief tragen und die Zähne zeigen, weil sie sich durchbeißen müssen in der globalisierten Welt? Die sich das Lächeln so wenig verbieten lassen wie das Singen und die Fröhlichkeit? Sie werden sich künftig an Vorbildern wie Tatjana Gsell orientieren,Vorbildern, die Kopf und Körper nur als Knetmasse für höhere Gestaltungsziele sehen.

„Mit ihrer Grinsebacke“, wird man ihnen sagen, „kriegen Sie nie einen Reisepass.“ Hier ein wenig Botox, da ein wenig chirurgisch gerafft, dort ein kleines Silikonpolster – und dann vor den Gesichtserkennungsautomaten. Piept er zufrieden, ist das Werk vollbracht, und vor ihm steht ein EU-konformer, akkurat automatisch wiedererkennbarer Deutscher. Der wird zwar keine Sympathien mehr gewinnen können wie Frau Erika. Aber die anderen Europäer sehen dann ja zumindest genauso aus. bm

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false