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Ein türkischer Demonstrant rennt vor einem Polizisten in Istanbul davon.

© AFP

Update

1. Mai weltweit: Tränengas in Istanbul und Patriotismus im Moskau

In Istanbul riegelt die Polizei den Taksim-Platz ab, es kommt zu schweren Auseinandersetzungen. In Moskau nutzen etwa 100.000 patriotisch Gesinnte den 1. Mai zum Großaufmarsch und in Griechenland versammelten sich tausende zu Protestmärschen.

Bei den schwersten Auseinandersetzungen in der Türkei seit den Gezi-Protesten des vergangenen Jahres sind am Maifeiertag mehrere Menschen verletzt und Dutzende festgenommen worden. Im Zentrum der Straßenschlachten stand Istanbul. Dort versuchten tausende Anhänger von Gewerkschaften, Verbänden und Oppositionsparteien, zum zentralen Taksim-Platz zu marschieren - eines Demonstrationsverbotes und trotz eines Großaufgebotes von fast 40.000 Polizisten. Die neuerliche Gewalt heizt die innenpolitischen Spannungen in der Türkei weiter an.

Vieles erinnert an die Gewalt des letzten Jahres

Die Szenen in den Stadtviertel um den Taksim-Platz glichen den Straßenkämpfen im vergangenen Jahr. Gewalt gab es von beiden Seiten. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Plastikgeschosse und Tränengas ein, die Demonstranten errichteten Barrikaden und beschossen die Beamten mit Steinschleudern, Molotowcocktails und Feuerwerkskörpern. In einem Stadtviertel brachten Eltern ihre kleinen Kinder aus ihren Häusern, weil das Tränengas bis in ihre Wohnungen drang. In Fernsehaufnahmen war ein Polizist zu sehen, der aus fünf Meter Entfernung mit Plastikgeschossen auf einen unbewaffneten Mann schoss. Ein anderes Bild zeigte einen Polizisten, der nach dem Steinwurf eines Demonstranten blutend zum Krankenhaus gebracht wurde. Der Taksim-Platz hat für alle Seiten in der Auseinandersetzung eine besondere Bedeutung. Seit den Gezi-Protesten steht er bei der Protestbewegung für den Kampf gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Für die türkischen Gewerkschaften ist er ein Symbol, seit dort bei einer mutmaßlich von den Sicherheitskräften angezettelten Schießerei am Maifeiertag 1977 mindestens 34 Menschen starben. In den vergangenen Jahren hatte Erdogan zum ersten Mal seit langer Zeit eine Maikundgebung auf dem Platz erlaubt. Nach den Unruhen des vergangenen Jahres, die im kleinen Gezi-Park unmittelbar neben dem Taksim ihren Anfang genommen hatten, wollte die Regierung in diesem Jahr jedoch jede Art von Aufmarsch in der Gegend verhindern. Erdogan erlebe einen „Gezi-Alptraum“ und habe Angst vor der Macht der Demonstranten, schrieb der Kolumnist Mustafa Sönmez auf Twitter.

Demonstranten in der Türkei verbarrikadieren sich hinter Spanplatten.
Demonstranten in der Türkei verbarrikadieren sich hinter Spanplatten.

© dpa

Erste Zusammenstöße seit Kommunalwahlen

Die Behörden unterbrachen weiträumig den öffentlichen Nahverkehr und ließen schon vor dem Maifeiertag Polizei-Barrikaden auf dem Taksim bereitstellen. In einer Fernsehansprache rief Erdogan zu Feiern „ohne Gewalt, Vandalismus und Auseinandersetzungen“ auf. Seine Regierung hatte an die Gewerkschaften appelliert, sie sollten auf ein Kundgebungsgelände außerhalb der Innenstadt ausweichen. Linke Gewerkschaften sowie die Oppositionspartei CHP bestanden dennoch auf einen Demonstrationszug zum Taksim. Auch die Kurdenpartei HDP beteiligte sich an den Protesten. Einige Parlamentsabgeordnete der Opposition sollen bei den Auseinandersetzungen verletzt worden sein. In der Haupstadt Ankara gab es ebenfalls Straßenschlachten.
Auch nach seinem Sieg bei den Kommunalwahlen Ende März. ist Erdogan bei seinem harten Kurs gegen die Opposition und angebliche Verschwörer geblieben. Erst in den vergangenen Tagen hatte sein Sohn Bilal bei der Staatsanwaltschaft ein Verhör von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu beantragt.

Erstmals seit der Sowjetzeit kam es zum 1.-Mai wieder zu Demonstration auf dem Rotem Platz in Moskau. Diese seien angesichts der Ukraine-Krise deutlich patriotisch geprägt. Die nach Polizeiangaben rund 100.000 Demonstranten, die zur Feier des internationalen Tags der Arbeit über den Vorplatz des Kremls marschierten, trugen Plakate mit Aufschriften wie „Ich bin stolz auf mein Land“ oder „Putin hat Recht“. Zudem trugen die Teilnehmer zahlreiche russische Flaggen und Ballons in den Nationalfarben.

"Wind der Freiheit" über der Krim

Angeführt wurde der Marsch, der erstmals seit 1991 wieder über den symbolträchtigen Platz vor dem russischen Regierungssitz verlief, vom Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin. Mehrere Transparente und Redner feierten die international kritisierte Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im März. „Ein Wind der Freiheit weht über der Krim“, rief ein Redner in Militäruniform vom Podium. „Moskau-Sewastopol, Städte der Helden“, hieß es auf einem Plakat.

Tausende Menschen versammelten sich auf dem Roten Platz in Moskau.
Tausende Menschen versammelten sich auf dem Roten Platz in Moskau.

© dpa

Organisatoren: "Anti-faschistische Kundgebung"

Einer der Organisatoren, der Gewerkschaftsführer Alexander Tschertschukow, hatte im Vorfeld angekündigt, die Kundgebung werde „wegen der Lage an unseren Grenzen anti-faschistisch“ werden. Nach Darstellung Moskaus wird die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine durch „Faschisten“ bedroht. Die russische Regierung bezeichnet damit die ultranationalistischen und rechtsradikalen Gruppen, die im Februar mit zum Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch beitrugen.

Proteste in Griechenland legen Nahverkehr lahm

In Griechenland haben die Gewerkschaften zum „Tag der Arbeit“ ihre Proteste gegen die harte Sparpolitik und hohe Arbeitslosigkeit begonnen. In Athen legten die Busfahrer für drei Stunden ihre Arbeit nieder. Betroffen ist auch der Fähr- und Bahnverkehr. Aus Piräus ist am Morgen keine Fähre ausgelaufen, wie die Seeleute-Gewerkschaft PNO mitteilte. Auch Züge fahren nicht.

Am frühen Nachmittag sind mehrere Demonstrationen geplant. In Griechenland haben 27 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung keinen Job. Der 1. Mai ist auch in Griechenland ein gesetzlicher Feiertag. (dpa,AFP)

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