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Der Panama-Kanal bei der Pedro Miguel-Schleuse in Panama-Stadt.

© dpa

100 Jahre Panama-Kanal: Der Geldfluss

Hundert Jahre alt und zu klein: Nach dem Ausbau soll der Panama-Kanal mehr Einnahmen in die Staatskasse spülen. Wie kommt der Bau voran?

Ein Woche lang wird in Panama gefeiert: Heute begeht das Land den 100. Jahrestag der Einweihung seines bedeutendsten Bauwerks. Der Kanal ist der Nationalstolz der Panamaer. Aber 100 Jahre nach seiner Eröffnung ist die Wasserstraße, durch die fünf Prozent des Welthandels schippern, zu klein geworden. Moderne Supertanker passen nicht mehr durch das Nadelöhr Amerikas. Der neue, der erweiterte Kanal soll ganz andere Dimensionen aufweisen und die Einnahmen des Staates noch kräftiger sprudeln lassen. Schon derzeit machen die staatlichen Einnahmen aus dem Kanal-Geschäft rund sechs Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes aus. Aber große Teile der Bevölkerung profitieren davon nicht.

Welche Ausmaße hat die Baustelle?

An seinen beiden Einfahrten auf der Atlantik- und Pazifikseite werden seit 2007 tausende Tonnen Gestein in die Luft gesprengt, Inseln abgetragen, Flussbetten ausgebaggert und 192000 Tonnen Stahl sowie 4,5 Millionen Kubikmeter Zement verbaut. Bis zu 14000 Arbeiter und 18 Kräne sind simultan im Einsatz. Entstehen sollen zwei neue dreistufige Schleusenanlagen, die die Schiffe auf der einen Seite 26 Meter in den aufgestauten Gatun-See heben und auf der anderen Seite wieder hinunter. Es ist ein gigantisches Bauwerk vom Ausmaß der Gizeh-Pyramiden in Ägypten. Nur aus der Luft lässt sich das Design der drei Kammern und der Wasser-Auffangbecken erkennen, dank der zwei Drittel des für die Durchfahrt nötigen Süßwassers künftig wiederverwertet werden kann. Insgesamt soll sich die Kapazität des Kanals nach dem Ausbau verdoppeln.

Wer ist an dem Projekt beteiligt?

Vor 130 Jahren scheiterte der französische Erbauer des Suez-Kanals, Ferdinand de Lesseps, an Gelbfieber und Fehlkalkulationen beim Bau des Kanals; 25 Jahre später verschliss die Fertigstellung immerhin drei der bekanntesten Ingenieure der USA. Diesmal hat eine kleine, resolute Frau die Herausforderung angenommen: Die 51-jährige Ilya de Marotta ist Chef-Ingenieurin des Ausbaus.

Kopfschmerzen bereiten ihr nicht Krankheiten oder die Technologie, sondern das Konsortium, das mit der Erweiterung beauftragt wurde. „Es ist irrsinnig schwierig, die Firmen zu koordinieren“, sagte sie dem Tagesspiegel. Das aus spanischen, belgischen, panamaischen und italienischen Unternehmen bestehende Konsortium GUPC hat den US-Amerikanern den Auftrag weggeschnappt. Viel zu billig seien sie gewesen, hatte wikileaks zufolge damals die US-Botschafterin nach Washington berichtet. Sie behielt recht. Den Baufirmen ging das Geld aus, Panamas Staat wollte nicht draufzahlen, und vor einigen Monaten standen wochenlang die Kräne still. Statt wie geplant dieses Jahr zum hundertjährigen Jubiläum wird das neue Schleusensystem deshalb wohl erst Anfang 2016 fertig sein. Weil es dann schon wieder zu klein sein wird für die allerneusten Super-Gastanker, ist eine vierte Schleusenreihe nicht ausgeschlossen, so Marotta.

Welche Probleme gibt es beim Bau?

Der Ausbau hat einen unsichtbaren Feind: den Klimawandel. Schon heute verbraucht der Kanal täglich drei Milliarden Liter Süßwasser. Die wichtigste Süßwasserquelle ist der Chagres-Fluss, der etwa in der Mitte in den 82 Kilometer langen Kanal fließt. Wie wichtig der Regen für das ganze System ist, zeigt sich an seinem Oberlauf, in Tusipono Emberá. Dort lebt der Indigena-Kazike Neldo Tocama. In seine Gemeinde inmitten des Regenwalds kommt man nur per Boot, doch seit Wochen hat der Chagres so wenig Wasser, dass der Einbaum immer wieder auf dem Untergrund aufsetzt. „Unser Leben dreht sich um den Fluss. Wir fangen in ihm Fische, wir holen dort unser Trinkwasser, wir waschen uns dort, und wir transportieren über ihn die Touristen, die unsere einzige Einnahmequelle sind, seit der Staat das hier zum Naturschutzgebiet erklärt und uns verboten hat, Landwirtschaft und Viehzucht zu betreiben“, erklärt der Stammesführer. „Wir wurden nicht gefragt zum Ausbau und sind sehr besorgt, dass er uns unsere Lebensgrundlage raubt.“

Aber nicht nur die Indigenas fühlen sich benachteiligt, auch in der Handelsstadt Colón an der Atlantikeinfahrt des Kanals läuft nicht alles optimal. Während der Hafen gerade ausgebaut wird und in der zweitgrößten Freihandelszone der Welt rund 2300 Handels- und Logistikfirmen jährlich 30 Milliarden US-Dollar umsetzen, aber kaum Steuern bezahlen, beklagt Gouverneurin Jennit Campos, dass nur wenig von dem Geld in ihrer Provinz ankommt. Die Arbeitslosenquote beträgt 40 Prozent, das Stadtzentrum wirkt verlottert, es fehlen 5000 Wohnungen und eine Kanalisation. „Wir sind der vergessene Pol“, sagt Campos. Colón gilt nicht nur als eine der unsichersten Städte Panamas, sondern auch als korrupteste. „Wir lebten hier lange von dem, was andere erwirtschaften, erst von der Bahnlinie der US-Amerikaner, dann vom Kanal“, sagt Campos’ Ehemann und Berater, Justo Pastor. „Als die US-Amerikaner den Kanal 1999 zurückgaben, wollten die Anwohner weder für den Strom noch für die Müllabfuhr bezahlen. Wir brauchen einen Mentalitätswandel.“

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