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Politik: 11. September – ein großes Komplott?

Ein Internetfilm vermutet die US-Regierung als Drahtzieher der Anschläge – Wissenschaftler stützen dieThese

Als Kronzeuge dient ihnen ausgerechnet Hunter S. Thompson, der Erfinder der „Gonzo Journalism“, einer Kunstform, die Wirklichkeit und Fiktion, subjektive Sichtweise und Fakten unentwirrbar miteinander verstrickt. Befragt vom Australischen Radio, ob er tatsächlich meine, dass die Bush-Regierung durch die Anschläge am 11. September 2001 profitiert habe, sagte Thompson mit dem Brustton der Überzeugung: „Absolut.“

Unterlegt mit den Bildern der brennenden Zwillingstürme in New York und dekoriert mit einander widersprechenden Zeugenaussagen, gibt Thompsons Aussage den Einstieg für die 80 Minuten Film, die nun folgen. „Loose Change“ heißt das Werk zweier junger Leute aus dem Bundesstaat New York. Es ist der Film zum bunten Potpourri der Verschwörungstheorien, die sich seit Jahren um die Ereignisse am 11. September ranken.

Leicht ließe er sich als interessantes Werk verschrobener Außenseiter abtun, wäre er nicht so erfolgreich. Mehr als zehn Millionen Menschen haben sich das Video seit April im Internet angesehen, 20.000 klicken täglich auf die Website www.loosechange911.com .

Angefangen hatte alles mit einer Buchidee. Avery, der nie ein College besucht hat und von der Filmhochschule zweimal abgelehnt worden war, wollte einen Thriller schreiben – mit sich und seinen Freunden als Helden, die ein großes Komplott der US-Regierung hinter den Anschlägen aufdecken. Je länger er recherchierte, desto mehr Lücken taten sich seiner Ansicht nach an der offiziellen Version auf. Also setzte er sich an seinen Laptop und begann, aus vorhandenem Bildmaterial ein Stück zu basteln, das wie ein Filtrat aller kursierenden Konspirationstheorien wirkt. Schnell geschnitten und dramatisch kommentiert, werden die Punkte im Laufschritt abgehandelt.

Kann es wirklich Zufall sein, dass ausgerechnet an diesem Tag die Luftabwehr an der Ostküste der USA eine Übung abhält? Natürlich nicht. Warum sehen die Schäden, die die Anschläge im Pentagon verursachen, wie ein Raketeneinschlag aus und nicht wie ein Loch, das eine Passagiermaschine reißt? Weil es eine Rakete war. Warum stürzten die Türme des World Trade Center in New York zusammen, obwohl das Feuer angeblich nicht heiß genug war, um die Stahlträger zu schmelzen? Warum berichteten so viele Zeugen von weiteren Explosionen, nachdem die Flugzeuge in die Wolkenkratzer gerast waren? Weil sie durch Bomben im Keller zum Einsturz gebracht wurden. Warum fanden sich an der Absturzstelle des Fluges „United 93“ in Shanksville, Pennsylvania, so wenig Wrackteile? Weil der Flug in Wirklichkeit in Cleveland sicher landete. Wer steckt hinter all dem? Die Neokonservativen in Washington, weil sie eine Rechtfertigung brauchten, um ihren Weltverbesserungs- Feldzug gegen Saddam Hussein zu beginnen.

Das ist nur die Kurzversion. Was so abstrus klingt, kann im geschickten Zusammenschnitt durchaus überzeugend auf die Zuschauer wirken, wenn sie selbst kein Detailwissen über die Vorgänge haben. Außerdem fällt „Loose Change“ mit seinen Konspirationstheorien auf fruchtbaren Boden. Laut einer Umfrage des seriösen Meinungsforschungsinstituts Zogby International vom Mai dieses Jahres glauben 42 Prozent der Amerikaner, dass die US-Regierung und die 9/11-Kommission Dinge im Zusammenhang mit den Anschlägen verbergen. Eine Erhebung der Ohio-Universität einen Monat später stellte fest, dass 36 Prozent der US-Bevölkerung meinen, Regierungsstellen halfen den Terroristen oder taten nichts, um sie zu stoppen. Vor zwei Jahren äußerten fast 50 Prozent der New Yorker dieselbe Vermutung.

Selbst unter Wissenschaftlern haben Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem 11. September Hochkonjunktur. Steven Jones etwa, Vater der These, dass das durch die Flugzeuge entfachte Feuer nicht heiß genug war, um die Stahlträger des World Trade Center zu schmelzen, ist Physikprofessor an der Brigham Young University in Provo, Utah. Kevin Barrett, Professor an der University of Wisconsin in Madison, lehrt seine Studenten, dass die US-Regierung wahrscheinlich hinter den Anschlägen stecke – und keine Al-Qaida-Terroristen. Er gehört zur kürzlich gegründeten Organisation „Scholars for 9/11 Truth“ (Wissenschaftler für die 9/11-Wahrheit), die 75 Akademiker vereint, einige von so angesehenen Unis wie Princeton und Stanford. Barretts Kollege und „Scholars“-Aktivist James Fetzer, pensionierter Philosophie-Professor, ist überzeug:, dass die Todespiloten noch am Leben sind. „Komische Dinge geschehen“, sagt er. „Unsere Aufgabe ist es, festzustellen, was wirklich am 11. September 2001 geschah.“

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