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Politik: 18 Mal Ahaus – ohne Rückfahrkarte

Die ersten Castor-Transporte aus Sachsen sollen nach Nordrhein-Westfalen rollen. Die Demonstranten rüsten sich schon

Von Matthias Schlegel

Dresden - Der Countdown läuft: An diesem Montag, zehn Uhr, soll der erste Transport mit sechs Castorbehältern am Kernforschungszentrum Rossendorf, zwölf Kilometer westlich der Dresdner Innenstadt, starten. Über die Autobahn fahren die Lastwagen zum Zwischenlager im münsterländischen Ahaus. Dort werden sie zwischen ein und fünf Uhr in der Nacht zum Dienstag erwartet – sofern sie nicht durch Blockaden von Atomkraftgegnern aufgehalten werden.

Aus Sicherheitsgründen darf den Termin offiziell freilich niemand bestätigen. Seit das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Ende März 2004 die Transport- und Einlagerungsgenehmigung gegeben hatte und auch ein Einspruch des Landes Nordrhein-Westfalen gegen den Transport per Lkw gescheitert war, ist das Katz-undMaus-Spiel in vollem Gang – zwischen Sicherheitskräften und der Anti-Atom-Bewegung, die mit Protesten auf die Risiken aufmerksam machen und die Kosten in die Höhe treiben will. Ohne Zahlen über die Zahl der Einsatzkräfte zu nennen, spricht Thomas Herbst von der Polizeidirektion Dresden von einem „immensen Aufwand“. Zumal im Raum Dresden und auf den sächsischen Autobahnen „am Tag X mit erheblichen Verkehrseinschränkungen“ zu rechnen sei.

Insgesamt 951 verbrauchte Brennstäbe sollen in 18 Castoren – also je sechs in drei Transporten – aus dem im Jahr 1991 still- gelegten Rossendorfer Forschungsreaktor auf die Reise gehen. Einen Bahnanschluss gibt es in Rossendorf nicht. Dafür liegt das Gelände direkt an der Autobahn. Auch wenn die Brennelemente aus dem alten DDR-Forschungszentrum wesentlich schwächer strahlen als die üblichen Abfälle aus Atomkraftwerken, sind die Gegner kompromisslos. Stefan Kubel von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ rechnet zwar im Vergleich zur großen Aktion 1998, als 5000 Widerständler gekommen waren, mit einer geringeren Teilnahme. „Der Atomkonsens hat vielen Leuten Sand in die Augen gestreut“, sagt er. Vielleicht kämen diesmal 300 bis 500.

Doch zugleich erwartet Kubel, dass der mögliche Regierungswechsel im Herbst doch ein paar Demonstranten mehr mobilisiert. Seit die designierte Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) angekündigt habe, dass sie den Energieversorgern selbst die Entscheidung über die Restlaufzeiten ihrer Atomkraftwerke überlassen wolle und in der Union offen über den Ausstieg aus dem Ausstieg geredet werde, habe die Zahl der Unterstützer zugenommen. „Dass sich uns jetzt auch Kreisverbände der Grünen aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen anschließen, ist doch kein Zufall“, sagt er.

Nicht nur die Grünen in NRW nennen den Transport „absolut unsinnig“, wie es Umweltministerin Bärbel Höhn ausdrückt. Auch die Grünen in Sachsen halten nichts davon. Der Standort Rossendorf sei auch nach den Castortransporten „längst noch nicht atommüllfrei“, sagt Landtags-Fraktionschefin Antje Hermenau. Auch sei ein „Sicherheitsgewinn der Lagerung in Ahaus gegenüber Rossendorf nicht nachgewiesen“. Der umweltpolitische Sprecher der Landtagsfraktion Johannes Lichdi will sich gar unter die Demonstranten mischen.

Der Sprecher der sächsischen Aktion Castorstopp, Andreas Schumann, rechnet mit „mehreren hundert“ Teilnehmern bei der Blockade am Montag vor dem Rossendorfer Tor. Die Dresdner Polizei sieht sich „ausreichend vorbereitet“.

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